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Mann macht Abrechnung am Schreibtisch mit Laptop, Stift und Taschenrechner
Recht & Steuern
Wohnungseigentumsrecht

Abrechnungsspitzen

Teilnichtigkeit bei isolierbarem Rechenfehler

Mit Urteil vom 11. April 2025 (V ZR 96/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass ein Beschluss einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) über Nachschüsse oder die Anpassung beschlossener Vorschüsse auch (nur) teilweise für ungültig erklärt werden kann – sofern es sich um eine rechnerisch selbstständige und abgrenzbare fehlerhafte Kostenposition handelt und anzunehmen ist, dass die Eigentümer den Beschluss auch ohne diesen Teil gefasst hätten.

 

Eine GdWE hatte im Jahr 2022 über die Abrechnungsspitzen des Jahres 2020 beschlossen. Dabei wurde ein zuvor aus der Instandhaltungsrücklage entnommener Betrag in Höhe von 20.744,30 Euro rechnerisch nicht vollständig neutralisiert: Es erfolgte zwar eine Entnahme, gleichzeitig wurde aber eine Rücklagenzuführung von 14.800 Euro berücksichtigt – obwohl laut Wirtschaftsplan nur 4.800 Euro vorgesehen waren. Diese rechnerische Unstimmigkeit führte dazu, dass die Eigentümer mehr zahlen sollten als sie eigentlich müssten, denn die Rückführung musste durch Nachschüsse erneut finanziert werden.

 

Das (juristische) Problem
Bereits mit Urteil vom 20. September 2024 (V ZR 195/23) hatte der BGH klargestellt, dass ein Beschluss nicht anfechtbar ist, wenn sich ein Fehler in der Abrechnung nicht auf die Abrechnungsspitze auswirkt. Im vorliegenden Fall stellte sich nun spiegelbildlich die Frage, ob ein Beschluss auch nur teilweise – nämlich bezogen auf eine einzelne, das Ergebnis beeinflussende Kostenposition – angefochten und für ungültig erklärt werden kann. Seit Inkrafttreten des Wohneigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) ist umstritten, ob die frühere Möglichkeit der Teilanfechtung fortbesteht. Denn Beschlussgegenstand ist nur noch die Abrechnungsspitze, nicht mehr die gesamte Jahresabrechnung. Ein Teil der Literatur vertritt daher die Auffassung, dass nur eine Gesamtnichtigkeit möglich ist. Jeder Fehler – etwa bei den Rücklagen – würde den gesamten Beschluss erfassen. Andere halten die Abrechnungsspitze für rechnerisch teilbar und eine isolierte Anfechtung weiterhin für zulässig. Der BGH hatte diese Frage nun erstmals zu entscheiden.

 

Die Entscheidung
Gemäß dem BGH bleibt auch nach der Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) die Teilnichtigkeit eines Beschlusses über die Abrechnungsspitze zulässig. Entscheidend ist, ob es sich bei der angefochtenen Position um einen abgrenzbaren und rechnerisch selbstständigen Teil handelt und ob die Wohnungseigentümer den Beschluss auch ohne den angefochtenen Teil gefasst hätten (§ 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches, BGB, analog). Im konkreten Fall bejahte der BGH beides: Die fehlerhafte Rücklagenposition sei abgrenzbar und es sei plausibel, dass der übrige Beschluss so oder so gefasst worden wäre. Der BGH argumentiert unter anderem mit praktischen Erwägungen: Würde jeder kleine Fehler automatisch zur Gesamtnichtigkeit führen, müssten die Wohnungseigentümer regelmäßig neu beschließen – mit erneutem Anfechtungspotenzial. Die Teilnichtigkeit ermöglicht dagegen eine gezielte Korrektur, ohne den gesamten Beschluss zu gefährden. Das gesetzgeberische Ziel, Streitigkeiten über die Jahresabrechnung zu reduzieren, werde so besser erreicht.

 

Fazit

Das Urteil schafft Klarheit: Rücklagenbewegungen gehören nicht in die Abrechnungsspitze. Wie bei Nebenkostenabrechnungen im Mietrecht gilt auch für Jahresabrechnungen in GdWE: Fehler passieren. Eigentümer sollten die Abrechnungsspitzen genau überprüfen und können sich hierbei nun sicher sein, dass sie einzelne fehlerhafte Positionen anfechten können – ohne den gesamten Beschluss anfechten zu müssen. Wird der Beschluss dann nur teilweise für ungültig erklärt, muss zumindest nicht die gesamte Abrechnung neu aufgerollt werden, sondern nur die konkret betroffene Position. Ist die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen, besteht immer noch die Möglichkeit, gemeinsam mit den übrigen Eigentümern durch einen Korrekturbeschluss nachzubessern – und so Fehler auch nachträglich rechtssicher zu korrigieren.

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