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Großer Wurf oder Rohrkrepierer?

Die kommunale Wärmeplanung in Bremen und Bremerhaven nimmt Fahrt auf – zumindest auf dem Papier. Der Bremer Senat hat den Wärmeplanentwurf verabschiedet.

Mit der Veröffentlichung des Wärmeplanentwurfs startet die Öffentlichkeitsbeteiligung. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, Institutionen und Verbände haben hier ebenso wie die in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden, die Träger öffentlicher Belange und die senatorischen Ressorts die Möglichkeit, den Wärmeplanentwurf einzusehen und Stellungnahmen abzugeben. Die Beteiligung ist online unter https://waermeplanung.bremen.de möglich.

Dazu Björn Fecker, Vertreter der zurückgetretenen Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft: „Jede und jeder kann online auf Karten nachvollziehen, was im Entwurf der kommunalen Wärmeplanung steht. Die Karten sind sehr genau, viele Informationen können abgerufen werden. Ebenfalls online können die Bürgerinnen und Bürger eine Stellungnahme einreichen. Das ist direkte und unkomplizierte Beteiligung. Für alle, die keinen Zugang zum Internet haben, bietet energiekonsens Unterstützung an. Wir wollen allen Menschen in Bremen die Möglichkeit geben, die kommunale Wärmeplanung mitzu-gestalten.“

Alle Stellungnahmen würden bearbeitet und gegebenenfalls in den Wärmeplan eingearbeitet. Stellungnahmen können noch bis zum 23. November abgegeben werden.

Strategische Planung ohne Verbindlichkeit – und ohne Sicherheit
Zunächst klingt die Wärmeplanung nach einem großen Wurf: eine umfassende Bestandsaufnahme, digitale Karten, strategische Szenarien für den Weg zur Klimaneutralität bis 2038. Doch der Senat selbst dämpft die Erwartungen. In der Vorlage heißt es ausdrücklich, dass die Wärmeplanung nicht verbindlich sei – weder für Energieversorger noch für Eigentümer. Die SWB wird auf ihrer Internetseite deutlicher und schreibt, dass sich die Orientierung des Ausbaus „nach Gebieten mit möglichst großer zu erwartender Abnahme der Fernwärme“ richten wird. Das bedeutet im Klartext: Niemand kann sich darauf verlassen, dass eine in der Karte als „Fernwärmegebiet“ markierte Straße tatsächlich ans Netz angeschlossen wird. Ebenso wenig ist gesichert, dass sich in „Wärmepumpen-gebieten“ die Rahmenbedingungen – etwa Strompreise, Netzausbau und Genehmigungen – so entwickeln, dass Eigentümer dort wirtschaftlich heizen können. Ein Plan, der weder Verlässlichkeit für Investitionen noch klare technische Perspektiven bietet, bleibt am Ende nur eins: eine strategische Absichtserklärung ohne echte Planungssicherheit.

Fernwärmeausbau: Kostenexplosion vorprogrammiert
Der Entwurf sieht bis 2038 rund 300 Kilometer neuer Fernwärmeleitungen in Bremen vor. Bis 2040 soll der Fernwärmeanteil von 15 auf 30% gesteigert werden.
Die SWB rechnet mit Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro für den geplanten Netz- und Anlagenausbau. Eine gewaltige Aufgabe – technisch, organisatorisch und finanziell. Doch wer zahlt? Fernwärme ist kein öffentliches Gut, sondern ein kommerzielles Produkt, betrieben von monopolartigen Versorgern. Mit jeder neuen Leitung steigen die Investitionskosten, die letztlich auf die Anschluss- und Wärmepreise umgelegt werden. Schon heute liegen die Grundpreise vieler Fernwärmekunden deutlich über denen moderner Gasheizungen – und die Preistransparenz ist dürftig.

Haus & Grund fordert daher: Bevor Leitungsnetze ausgebaut werden, müssen verbindliche Wirtschaftlichkeitsrechnungen, Kostenobergrenzen und ein echter Wettbewerb um Wärmeangebote her. Sonst droht die Fernwärme vom Klimaretter zum Kostenfaktor – zum Rohrkrepierer zu werden – auf Kosten der privaten Eigentümer.

Wärmepumpen als Allheilmittel?

Technisch machbar heißt nicht bezahlbar Dort, wo kein Wärmenetz vorgesehen ist, setzt Bremen laut Entwurf vor allem auf dezentrale Wärmepumpen. Bis 2038 sollen sie fast die Hälfte der Wärmeversorgung übernehmen. Doch die Realität vieler Bestandsgebäude – vor allem in Altbauquartieren mit kleinen Grundstücken, begrenzten Stromanschlusskapazitäten und hohen Sanierungskosten lässt Zweifel aufkommen.

Zudem werden Wärmepumpen durch hohe Strompreise und steigende Netzentgelte wirtschaftlich immer fragwürdiger. Wer heute in eine moderne Gas- oder Hybridheizung investiert, steht möglicherweise in wenigen Jahren als „Klimasünder“ da – ohne dass praktikable Alternativen verfügbar sind. Die Planer verweisen auf das „strategische“ Zielbild, doch für Eigentümer geht es um konkrete Investitionen im fünfstelligen Bereich. Hier fehlen Förderzusagen, Planungssicherheit und vor allem technologische Offenheit.

Wärmepumpe statt Vielfalt – zu früh zu eng gedacht
Kritisch zu sehen ist die frühe Festlegung auf Wärmepumpen als nahezu alleinige Lösung außerhalb der geplanten Fernwärmegebiete. Zwar sind Wärmepumpen in vielen Neubauten oder sanierten Häusern eine sinnvolle Option – doch die Realität in Bremen sieht anders aus: dichter Altbaubestand, begrenzte Platzverhältnisse, hohe Strompreise und oftmals unzureichende technische Voraussetzungen.
Trotz dieser Herausforderungen setzt die Wärmeplanung fast ausschließlich auf dieses System. Andere Technologien werden weitgehend ausgeblendet. Wasserstoff, so der Entwurf, spiele keine Rolle – und das ist im Kern richtig: Für Bremen und Bremerhaven wird er aufgrund fehlender Infrastruktur und hoher Kosten auf absehbare Zeit nur eine Nischenlösung bleiben.
Doch anstatt diese Erkenntnis zu nutzen, um technologieoffenere, pragmatische Übergangslösungen zu entwickeln – etwa hybride Heizsysteme, gemeinschaftliche Nahwärmelösungen oder den Einsatz von Biomasse in geeigneten Quartieren –, wird die Wärmepumpe politisch zum Allheilmittel erklärt.

Damit droht Bremen, sich zu früh auf ein zu enges Konzept festzulegen. Eine erfolgreiche Wärmewende braucht Flexibilität, wirtschaftliche Vernunft – und den Mut, mehr als eine Lösung zuzulassen und zu fördern.

Kommunale Eingriffe statt marktwirtschaftlicher Lösungen
Die Überlegungen zu einer „strategischen Wärmepartnerschaft“ zwischen Wesernetz und der Stadt Bremen, inklusive möglicher Beteiligungen oder gar einer gemeinsamen Wärmegesellschaft, lassen aufhorchen. Wenn Kommune und Versorger in einer Hand agieren, droht ein Quasi-Monopol, das weder für Preisstabilität noch für Verbraucherschutz steht.
Statt mehr staatlicher Steuerung braucht es mehr Wettbewerb und weniger Zwang. Die Wärmewende wird nur gelingen, wenn Eigentümer, Handwerk, Energieversorger und Politik gemeinsam flexible, wirtschaftliche Lösungen entwickeln – nicht, wenn über ihre Köpfe hinweg geplant wird.