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Baugesetz

Stellungnahme zur Novelle des Baugesetzbuches

durch den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD „Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ auf Bundestags-Drucksache 21/781 (neu)

Einleitung

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Novelle des Baugesetzbuchs verfolgt die Bundesregierung – wie im Koalitionsvertrag angekündigt – das Ziel, den Wohnungsbau zu beschleunigen und den Mietwohnungsbestand zu sichern. Die zentralen Instrumente sind ein befristeter „Wohnungsbau-Turbo“ (§ 246e BauGB), erweiterte Befreiungs- und Abweichungsmöglichkeiten zugunsten des Wohnungsbaus (§§ 31, 34 BauGB), neue Regelungen zur Fehlerfolgenbewältigung bei Lärmschutz (§ 216a BauGB) sowie die Verlängerung der Vorschriften zum Umwandlungsverbot (§ 250 BauGB) und zur Bestimmung von Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (§ 201a BauGB).

Aus Sicht von Haus & Grund Deutschland ist es richtig und notwendig, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Wohnungsbau zu beschleunigen. Private Eigentümer und Bauherren, die vielfach kleinteilige Vorhaben, wie Aufstockungen, Dachausbauten oder die Schaffung zusätzlichen Wohnraums auf eigenen Grundstücken realisieren, profitieren von einfacheren und praxistauglicheren Verfahren. Gerade in Zeiten hoher Baukosten und steigender Finanzierungslasten sind Rechtssicherheit und zügige Verfahren entscheidend, damit dringend benötigter Wohnraum tatsächlich entsteht.

Kritisch ist jedoch, dass die Novelle erneut erhebliche Eingriffe in die Eigentumsrechte vorsieht. Die Verlängerung des Umwandlungsverbots in angespannten Wohnungsmärkten und die damit verbundene Einschränkung der Verfügungsfreiheit sind weder verhältnismäßig noch wirksam, um Wohnraum zu sichern. Ebenso birgt die Ausweitung kommunaler Zustimmungsvorbehalte das Risiko zusätzlicher Auflagen, Rechtsunsicherheiten und Kostenverlagerungen auf private Eigentümer. Besonders problematisch ist zudem § 216a BauGB, der die Verantwortung für Lärmkonflikte nachträglich auf private Eigentümer abschiebt, obwohl diese im Vertrauen auf eine rechtmäßige Planung investiert haben. Damit droht die Novelle, die Balance zwischen öffentlichem Interesse an mehr Wohnraum und dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentum einseitig zu Lasten der Eigentümer zu verschieben.

Haus & Grund Deutschland wird die vorgeschlagenen Regelungen deshalb differenziert bewerten: Dort, wo private Eigentümer durch echte Verfahrensbeschleunigungen entlastet werden, unterstützen wir den Ansatz. Wo jedoch Eigentumsrechte weiter eingeschränkt oder Kostenrisiken unverhältnismäßig auf private Bauherren und Bestandshalter abgewälzt werden, lehnen wir die Vorschläge ab. Unser zentrales Anliegen bleibt: Mehr Wohnungsbau gelingt nur mit den privaten Eigentümern – nicht gegen sie.

Stellungnahme zu den Änderungen

§ 9 BauGB (Lärmschutzfestsetzungen / Abweichungen von der TA Lärm)

Regelungsinhalt

Der Gesetzentwurf ergänzt § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB. Gemeinden können künftig in begründeten Fällen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) abweichen. Dadurch sollen flexiblere Festsetzungen zu Geräuschimmissionen möglich werden, ohne dass Bebauungspläne allein wegen Konflikten mit der TA Lärm unwirksam werden.

Zielsetzung

Die Bundesregierung will die planerischen Möglichkeiten der Kommunen stärken, um zusätzlichen Wohnungsbau auch in lärmbelasteten Lagen zu ermöglichen. Ziel ist es, Lärmkonflikte praxistauglich zu lösen, die Ausweisung neuer Wohnbauflächen zu erleichtern und zugleich Rechtssicherheit für bestehende und neue Betriebe zu schaffen.

Bewertung

Für private Bauherren und Bestandshalter ist die Flexibilisierung zunächst positiv: Lärm wird oft als Hinderungsgrund für Genehmigungen angeführt. Abweichungen von der TA Lärm können daher insbesondere Nachverdichtungen erleichtern.

Haus & Grund Deutschland unterstützt praxistaugliche Lösungen für Lärmkonflikte, akzeptiert Abweichungen von der TA Lärm jedoch nur unter folgenden Bedingungen:

  • Lärmschutz muss vorrangig beim Emittenten ansetzen; wer jedoch an bestehende Gewerbe- oder Industriegebiete heranrückt, kann nicht erwarten, dass Betriebe zusätzliche Lärmschutzlasten tragen – heranrückende Wohnbebauung muss daher maßvoll geplant werden.
  • Neue Gebäude sollten so angeordnet und gestaltet werden, dass Grundriss, Gebäudestellung und Grundstücksausnutzung sowohl innen als auch außen wirksamen Lärmschutz gewährleisten; passive Maßnahmen wie Spezialfenster sollten wegen der hohen Baukosten nur ergänzen.
  • Außenpegel sind verbindlich zu sichern, damit Freiflächen (Balkone, Gärten, Spielplätze) dauerhaft nutzbar bleiben. Lärmschutz darf nicht am Außenfenster enden.
  • Zusätzliche Schallschutzauflagen dürfen nicht unverhältnismäßig auf private Bauherren abgewälzt werden; sonst kippt die Wirtschaftlichkeit gerade bei Nachverdichtungen und Einzelvorhaben.
  • Lärmschutz darf nicht auf kurzfristig „rechtsichere Kubaturen“ zielen; auch spätere Eigentümer und Bestandshalter brauchen konfliktfrei nutzbare Immobilien. Allein das Bauplanungsrecht kann diesen Schutz nicht gewährleisten – es bedarf flankierender immissionsschutzrechtlicher Instrumente.

Schlussfolgerung

Haus & Grund Deutschland unterstützt praxistaugliche Lösungen für Lärmkonflikte und eine maßvolle Öffnung für Wohnungsbau. Abweichungen von der TA Lärm sind jedoch nur akzeptabel, wenn: (1) das Heranrücken an lärmbelastete Gebiete maßvoll erfolgt, (2) aktive und bauliche Lösungen beim Neubau klaren Vorrang haben, (3) Außenpegel verbindlich gesichert werden, (4) es keine unverhältnismäßige Kostenverlagerung auf private Bauherren gibt und (5) ergänzende immissionsschutzrechtliche Instrumente die langfristige Konfliktfreiheit sichern.

§ 31 und § 34 BauGB (Flexibilisierung zugunsten des Wohnungsbaus)

Regelungsinhalt

Die Novelle erweitert zwei zentrale Flexibilisierungsinstrumente: § 31 Abs. 3 BauGB erlaubt Befreiungen von Festsetzungen eines Bebauungsplans zugunsten des Wohnungsbaus – im Einzelfall oder in mehreren vergleichbaren Fällen – mit Zustimmung der Gemeinde. § 34 Abs. 3b BauGB (neu) ermöglicht im unbeplanten Innenbereich Abweichungen vom Einfügungsgebot zugunsten des Wohnungsbaus, ebenfalls zustimmungsgebunden. Beide Instrumente sollen eine Zulassung ohne Planänderung bzw. ohne Bebauungsplan erleichtern; § 36a BauGB regelt die kommunale Zustimmung.

Zielsetzung

Beschleunigung von Nachverdichtung und Wohnraumschaffung durch praxistaugliche Einzelentscheidungen anstelle aufwändiger Planverfahren; Entlastung von Verwaltung und Vorhabenträgern; Wahrung der kommunalen Planungshoheit durch das Zustimmungsregime und – bei § 31 BauGB – eine vorgelagerte überschlägige Prüfung erheblicher Umweltauswirkungen.

Bewertung

Chancen: Für private Bauherren, die kleinere Wohnbauprojekte oder Nachverdichtungen (Dachausbau, Aufstockung, Lückenschluss) realisieren wollen, können die erweiterten Befreiungs- und Abweichungsmöglichkeiten ein deutlicher Vorteil sein: Sie sparen Zeit und Kosten, da ein förmliches Planänderungsverfahren entfällt.

Risiken: Weite unbestimmte Rechtsbegriffe (z. B. „mehrere vergleichbare Fälle“, „Beeinträchtigung der Grundzüge der städtebaulichen Ordnung“) bergen Rechtsunsicherheit und uneinheitliche Praxis. Zustimmungen können mit auflagenintensiven Nebenbestimmungen verbunden werden; das gefährdet die Wirtschaftlichkeit insbesondere privater Kleinvorhaben. Für Bestandshalter besteht das Risiko, dass zu viele Einzelfallentscheidungen ohne übergeordnete Planung zu einem Flickenteppich führen. Das kann Belichtung, Belüftung und Freiflächenqualität mindern und damit den Wohnwert bestehender Immobilien beeinträchtigen.

Schlussfolgerung

Haus & Grund Deutschland unterstützt die Flexibilisierung unter Bedingungen:

  • Klare Leitplanken: Kriterienkatalog für „vergleichbare Fälle“ (§ 31 BauGB) und beispielhafte Regelbeispiele für zulässige Abweichungen (§ 34 BauGB).
  • Transparenz und Dokumentation: Pflicht zur nachvollziehbaren Abwägung (inkl. städtebaulicher Wirkungen und Umweltauswirkungen) in der Begründung der Entscheidung.
  • Vorrang städtebaulich‑baulicher Lösungen (Gebäudestellung, Grundriss, Erschließung) vor kostenintensiven Auflagen; Verhältnismäßigkeit von Nebenbestimmungen, Schutz kleinteiliger Vorhaben.
  • Vereinheitlichung und Fristen: Musterauflagen, verbindliche Entscheidungsfristen und interne Checklisten zur Vermeidung von Willkür und zur Stärkung der Rechtssicherheit für private Eigentümer.

§ 36a BauGB (Zustimmung der Gemeinde)

Regelungsinhalt

Nach dem neuen § 36a BauGB sind Vorhaben nach § 31 Abs. 3 BauGB (Befreiung zugunsten des Wohnungsbaus) sowie nach § 34 Abs. 3b BauGB (Abweichung im unbeplanten Innenbereich) nur mit Zustimmung der Gemeinde zulässig, auch wenn diese selbst Bauaufsichtsbehörde ist. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn das Vorhaben den städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen der Gemeinde entspricht; sie kann zugleich mit auflagenartigen Bedingungen verbunden werden. Ferner ist eine kurze Öffentlichkeitsbeteiligung (Frist bis zu einem Monat) möglich, wodurch sich die Entscheidungsfrist verlängert. Die Zustimmung ist lediglich im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Zulassungsentscheidung überprüfbar; es gilt eine Zustimmungsfiktion analog zu § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB.

Zielsetzung

Die Neuregelung soll die kommunale Planungshoheit absichern und die Akzeptanz von Einzelfallentscheidungen erhöhen. Zugleich soll durch ein verbindliches Zustimmungsregime mit optionaler Öffentlichkeitsbeteiligung die Verfahrensbeschleunigung gewährleistet werden.

Bewertung

Chancen: Das Verfahren schafft eine klare Zuständigkeit auf Gemeindeebene, ermöglicht eine planbare Einbindung vor Ort und erlaubt zustimmungsgebundene Zulassungen anstelle komplexer Planänderungen.

Risiken: Die weit gefasste Formulierung („Vorstellungen der Gemeinde“) eröffnet einen erheblichen Ermessensspielraum, der zu uneinheitlicher Verwaltungspraxis, überzogenen Auflagen und Verfahrensverzögerungen führen kann, insbesondere bei vorgeschalteter Beteiligung. Die eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der Zustimmung erhöht zudem die Rechtsunsicherheit für private Eigentümer. Ohne normierte Leitplanken besteht die Gefahr, dass das Instrument als Steuerungsmechanismus für weitreichende Bedingungen oder vertragliche Verpflichtungen eingesetzt wird, was faktisch zu einer Kostenverlagerung auf private Bauherren führen könnte.

Erforderlichkeit: § 36a BauGB ist im Grundsatz ein nachvollziehbarer Ausgleich für die erweiterten Abweichungsmöglichkeiten in §§ 31 und 34 BauGB, da er die kommunale Planungshoheit wahrt und eine gewisse Kohärenz im Vollzug sichert. Gleichwohl gilt: Nur durch klare Kriterien, strikte Entscheidungsfristen und verhältnismäßige Auflagen lässt sich vermeiden, dass das Instrument seine beschleunigende Wirkung verliert und zu einem Hemmnis für private Vorhaben wird.

Schlussfolgerung

Haus & Grund Deutschland akzeptiert das Zustimmungserfordernis nur unter der Bedingung, dass folgende Leitplanken verbindlich festgeschrieben werden:

  • Konnexität und Verhältnismäßigkeit: Bedingungen sind nur zulässig, wenn sie durch das konkrete Vorhaben veranlasst, erforderlich und geeignet sind; für kleinere Vorhaben sind Kostenobergrenzen oder Entlastungsregelungen vorzusehen.
  • Transparente Kriterienkataloge und Musterauflagen: Gemeinden sollen verbindliche Kataloge zulässiger Bedingungstypen veröffentlichen und standardisierte Nebenbestimmungen anwenden, um Einheitlichkeit und Planbarkeit sicherzustellen.
  • Dokumentationspflicht: Die Abwägung ist nachvollziehbar zu begründen; insbesondere ist darzulegen, dass städtebaulich-bauliche Alternativen vor kostenintensiven Auflagen geprüft wurden.
  • Rechtschutzklarheit: Übermäßige oder sachfremde Bedingungen sind als Ermessensfehler zu qualifizieren und im gerichtlichen Verfahren aufhebbar.
  • Fristen und Beteiligung: Die Zustimmungsfiktion muss nach Fristablauf eindeutig greifen; eine Öffentlichkeitsbeteiligung darf nur gezielt und eng befristet erfolgen, ohne den Gesamtprozess erheblich zu verzögern.

Mit diesen Leitplanken kann § 36a BauGB einerseits die kommunale Planungshoheit stärken und andererseits die Rechtssicherheit sowie die Wirtschaftlichkeit privater Vorhaben gewährleisten, wodurch eine beschleunigte und zugleich konfliktarme Wohnraumschaffung ermöglicht wird.

§ 216a BauGB (Fehlerfolgen bei Unwirksamkeit von Bebauungsplänen mit Abweichungen von der TA Lärm)

Regelungsinhalt

Wird ein Bebauungsplan, der abweichende Lärmschutzvorgaben zulässt, nachträglich gerichtlich für unwirksam erklärt, gilt Folgendes:

  • Bestandsschutz: Bereits errichtete Wohngebäude bleiben zulässig; ein Rückbau scheidet aus.
  • Nachträgliche Auflagen: Zur Wahrung gesunder Wohn‑ und Arbeitsverhältnisse können die Behörden Lärmschutzmaßnahmen anordnen – an der Quelle (Betrieb), auf dem Ausbreitungsweg oder am Gebäude (Empfänger).
  • Schutz bestehender Betriebe: Gewerbliche/industrielle Anlagen müssen nur zumutbare Maßnahmen ergreifen und nur dann, wenn ein Dritter (z. B. Eigentümer oder Gemeinde) die Kosten übernimmt.
  • Weitere Instrumente: Für den errichteten Wohnbestand ist die TA Lärm insoweit nicht anzuwenden; stattdessen kommen städtebauliche Verträge (§ 11 BauGB) in Betracht. Planfehler können im ergänzenden Verfahren geheilt werden.

Zielsetzung

Die Norm schafft eine klare Fehlerfolgenregelung: Sie sichert die Bewohnbarkeit ohne Rückbau, gewährleistet Betriebskontinuität und ermöglicht ein koordiniertes Verwaltungshandeln nach Planaufhebung.

Bewertung

Positive Aspekte: Der Bestandsschutz verhindert Rückbau und starke Wertverluste; die Nutzung bleibt rechtlich abgesichert.

Kritische Punkte:

  • Kostenrisiken für Private: Folgen fehlerhafter Planung können bei Eigentümern landen (z. B. für Fenster, Dämmung, Abschirmungen), während Projektentwickler häufig frühzeitig aus dem Risiko ausscheiden. Das widerspricht dem Grundsatz „Wer entscheidet, zahlt“ (Konnexität) und schwächt den Vertrauensschutz beim Erwerb rechtmäßig genehmigter Immobilien.
  • Ungleiche Schutzwirkung: Betriebe werden ausdrücklich vor Mehrbelastungen geschützt. Für Wohn-Eigentümer hingegen gilt der Schutz nicht in gleichem Maße: Häufig werden gebäudeseitige Maßnahmen verlangt, die zusätzliche Kosten verursachen. Haus & Grund Deutschland stellt dabei klar, dass die Rechte bestehender Betriebe nicht in Frage gestellt werden, sondern dass es um eine ausgewogene Lastenverteilung zwischen öffentlicher Hand, Betrieben und privaten Eigentümern geht.
  • Informationsdefizite beim Kauf: Käufer können vorab das Risiko aus § 216a BauGB oft nicht einschätzen; verdeckte Zusatzkosten können auch Jahre nach dem Erwerb entstehen.
  • Ungleiche Verhandlungslage: Kommunen und Betriebe verfügen über mehr Ressourcen und Expertise; private Erwerber sind im Nachteil. Standardisierte Schutzmechanismen (Aufklärung, Kostendeckel) fehlen.

Grundgedanke: Die Stadtentwicklungspolitik verfolgt Innenentwicklung, Nutzungsmischung und die 15‑Minuten‑Stadt. Wohnen soll damit bewusst an lärmemittierende Nutzungen heranrücken. Dieses systemische Risiko ist öffentlich gesetzt und sollte deshalb nicht überwiegend privat getragen werden.

Schlussfolgerung

Haus & Grund Deutschland unterstützt eine klare Fehlerfolgenregelung, verlangt aber eine faire Verteilung der Kosten und Pflichten:

  • Primärverantwortung der Gemeinde: In Fällen des § 216a BauGB sollen nachträgliche Lärmschutzkosten grundsätzlich von der Gemeinde getragen werden. „Wer entscheidet, zahlt“: Wer Abweichungen zulässt, trägt die Folgekosten. Eigentümer sind vor rückwirkenden Belastungen zu schützen; bei bewusst risikobehafteter Planung braucht es Rückgriff gegenüber Projektentwicklern/Planern.

Flankierende Sicherungen (nur erforderlich, wenn die Primärverantwortung der Gemeinde nicht vollumfänglich umgesetzt wird):

  • Transparenz beim Verkauf: Verpflichtende Aufklärung über § 216a BauGB‑Risiken (mögliche Auflagen und Kostenpfade) im Vermarktungs- und Beurkundungsprozess.
  • Dokumentation und Begründung: Behördenentscheidungen müssen die Reihenfolge der Maßnahmen, die Zumutbarkeit und die Finanzierung klar darlegen.
  • Rechtsschutz und Schutz kleiner Vorhaben: Unverhältnismäßige Bedingungen sind ermessensfehlerhaft und aufhebbar. Für kleine Projekte sind Kostenobergrenzen bzw. Schonregeln vorzusehen.
  • Beteiligung und Evaluation: Verbraucher‑ und Eigentümerverbände sind bei der Folgenabschätzung und einem Monitoring der Praxis einzubinden; Ergebnisse (Beschwerden, Kosten, Verfahren) sind regelmäßig zu veröffentlichen.

Ergebnis: § 216a BauGB kann Bestand und Verbraucher zugleich schützen: kein Rückbau, klare Zuständigkeiten und Kostenfairness. Die Kosten einer politisch gewollten, gemischten Stadt werden öffentlich mitgetragen; Eigentümer behalten Planungs-, Kosten- und Rechtssicherheit.

§ 246e BauGB (befristete Sonderregelung / „Wohnungsbau‑Turbo“)

Regelungsinhalt

§ 246e BauGB erlaubt es den Gemeinden für eine befristete Zeit, Wohnungsbauvorhaben im Einzelfall unter vereinfachten Verfahren und mit Abweichungen von einzelnen planungsrechtlichen Vorgaben zuzulassen. Die Vorschrift wirkt als Experimentierklausel: Beteiligungsfristen können verkürzt, materielle Anforderungen angepasst und Zulassungen mit Nebenbestimmungen oder städtebaulichen Verträgen verbunden werden. § 246e ist mit § 36a BauGB (Zustimmung der Gemeinde) verzahnt; bei lärmbezogenen Abweichungen greifen zusätzlich die Fehlerfolgen aus § 216a BauGB. Eine Evaluation der Anwendung ist vorgesehen.

Zielsetzung

Ziel ist es, Planungs- und Genehmigungszeiten zu verkürzen, Nachverdichtung zu erleichtern und kurzfristig mehr Wohnraum zu schaffen – ohne, dass jede Änderung über einen Bebauungsplan laufen muss. Die befristete Öffnung soll Praxiswissen liefern, das später in das Regelverfahren übernommen werden kann.

Bewertung aus Eigentümersicht

Chancen: Für private Eigentümer (Bauherren) – gerade bei kleinen Maßnahmen wie Dachausbau, Aufstockung oder Lückenschluss – sind Zeit‑ und Kostenvorteile möglich. Wenn Kriterien und Standardauflagen klar sind, entsteht zusätzliche Rechtssicherheit.

Risiken: Für Bauherren: weites Ermessen und auflagenintensive Zulassungen führen zu Kosten‑ und Planungsunsicherheit; bei lärmbezogenen Abweichungen sind über § 216a BauGB spätere Kostenrisiken möglich. Für Nachbareigentümer im Bestand: verkürzte Beteiligungen und mehr Einzelfallzulassungen erhöhen Anfechtungs-/Konfliktrisiken sowie Immissions- und Verkehrsbelastungen ohne gesicherte Ausgleichsmaßnahmen. Weitere Risiken (Bankability, Kumulation mit §§ 31/34/36a BauGB, Kollisionen mit Fachrecht, Gleichbehandlung, Verwaltungskapazitäten) sind nachgeordnet und lassen sich durch klare Kriterien, Standardauflagen, feste Fristen und transparente Begründungen reduzieren.

Schlussfolgerung

Haus & Grund Deutschland unterstützt § 246e BauGB als befristetes Beschleunigungsinstrument, unter folgenden Leitplanken:

  • Enger Anwendungsbereich und Schwellenwerte: Konzentration auf typische Nachverdichtungen; Schonregeln und Kostenobergrenzen für Kleinvorhaben.
  • Transparente Kriterien und Standardisierung: Öffentlich zugängliche Kriterienkataloge, Musterauflagen und Checklisten; Dokumentation der Abwägung einschließlich der Prüfung baulich‑städtebaulicher Alternativen.
  • Verhältnismäßigkeit und „Wer entscheidet, zahlt“: Nebenbestimmungen nur, wenn projektveranlasst, erforderlich und geeignet; keine Kostentransfers für strukturelle Defizite. Bei öffentlichem Interesse sind kommunale Beiträge/Kofinanzierung vorzusehen.
  • Beteiligung und Rechtsschutz: Kurze Beteiligung zielgerichtet einsetzen; klare Fristen und Zustimmungsfiktion verlässlich anwenden; nachvollziehbare Begründungen.
  • Evaluation und Sunset: Zeitliche Befristung streng einhalten, Wirkungen/Kosten/Konflikte auswerten und veröffentlichen; gegebenenfalls Rückkehr zum Regelverfahren.

Kurzfazit: § 246e BauGB kann Nachverdichtung spürbar beschleunigen, wenn Gemeinden das Instrument maßvoll, standardisiert und kostenfair einsetzen. So entsteht zusätzlicher Wohnraum, ohne neue Rechts‑ und Kostenrisiken für private Eigentümer und ohne die Rechte bestehender Betriebe in Frage zu stellen sowie ohne die berechtigten Belange angrenzender Nachbareigentümer zu vernachlässigen.

§ 201a und § 250 BauGB (Umwandlungsverbot)

Regelungsinhalt

Die Novelle verlängert die Regelungen in § 201a BauGB (Feststellung „angespannter Wohnungsmärkte“ als Datengrundlage/Anwendungsrahmen) und § 250 BauGB (Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet‑ in Wohnungseigentum in angespannten Märkten) um weitere fünf Jahre. In der Praxis wirkt der Genehmigungsvorbehalt wie ein faktisches Verbot, weil die Genehmigung nur in eng umgrenzten Ausnahmen erteilt wird. Das betrifft vor allem Bestandsgebäude in Großstädten und Wachstumsregionen.

Zielsetzung

Ziel ist es, Verdrängung zu verhindern, Mietwohnungsbestände zu sichern und spekulativen Aufteilungen entgegenzuwirken. Gleichzeitig soll die Planungs- und Beobachtungslogik des § 201a BauGB (Indikatoren „angespannt“) eine objektive Grundlage für kommunale Anordnungen bilden.

Bewertung

Der Genehmigungsvorbehalt greift tief in die Eigentumsfreiheit ein und nimmt vermietenden Privatpersonen die Ausstiegs-/Liquiditätsoption des Einzelverkaufs. Gerade im Umfeld stark steigender Anforderungen und Regulierung ist die Umwandlung eine legitime Alternativstrategie zur dauerhaften Vermietung. Wird sie versperrt, drohen Desinvestition, Verschiebung zum Paketverkauf an professionelle Investoren und damit Marktkonzentration zulasten der privaten Eigentümer und Mieter.

Das Verbot erschwert Eigentumsbildung für Haushalte mit mittleren Einkommen, weil günstige Bestandswohnungen seltener in den Einzelverkauf gelangen. Die Folge sind Preisanstiege in diesem Segment und eine Verdrängung der Mittelschicht in teurere Neubau- oder Bestandssegmente.

Die Annahme eines systematischen Zusammenhangs „Umwandlung und Verdrängung/Bestandsverlust“ ist empirisch nicht hinreichend belegt; zivilrechtlicher Mieterschutz wirkt bereits umfassend. Problematische Geschäftsmodelle einzelner Marktakteure sollten gezielt adressiert werden – nicht über einen pauschalen Eingriff in die Dispositionsfreiheit aller Eigentümer.

Schlussfolgerung

Haus & Grund Deutschland lehnt die Verlängerung des Umwandlungsverbots ab. Das Instrument ist mittelschichts- und eigentumsfeindlich, verfehlt den Mieterschutz und befördert Marktkonzentration. Mindestens erforderliche Differenzierungen, falls der Gesetzgeber am Instrument festhält:

  • Kleinhäuser-Schutz: Ausnahme für kleine Objekte und bei der Ganz-/Teilselbstnutzung durch Eigentümer oder unterhaltsberechtigte Angehörige.
  • Haltefrist und Vertrauensschutz: Genehmigungsfiktion nach langer Haltedauer (z. B. ≥ 10 Jahre) oder bei nachgewiesener langfristiger Bewirtschaftung; Härtefallklausel bei Sanierungs-/Liquiditätsbedarf (z. B. Finanzierung energetischer Pflichtmaßnahmen).
  • Zielgenaue Abgrenzung über § 201a BauGB: Indikatorenkatalog und Schwellenwerte für „angespannt“ gesetzlich präzisieren; zeitliche Befristung und Evaluation (jährlicher Bericht) mit Rücknahme der Maßnahme bei Entspannung.
  • Keine Erosion von Eigentumsrechten: Klare, positive Genehmigungstatbestände (z. B. Verkauf an Mieter, Belegungs-/Bindungsmodelle ohne Eigentumsentzug) statt restriktiver Einzelfallprüfung.
  • Gegen Missbrauch statt gegen die Breite: Gezielte Instrumente gegen missbräuchliche Aufteilungs-/Modernisierungsmodelle (z. B. Zweckentfremdung, Entmietungspraktiken) anstelle eines Pauschalverbots.

Kurzfazit: Die Sicherung bezahlbaren Wohnens gelingt nicht durch das pauschale Blockieren von Umwandlungen, sondern durch Angebotsausweitung, zielgenauen Mieterschutz und verlässliche Investitionsbedingungen für private Eigentümer.

Fazit

Die BauGB-Novelle 2025 zeigt in Teilen richtige Ansätze zur Beschleunigung des Wohnungsbaus, geht jedoch zugleich mit erheblichen Belastungen für private Eigentümer einher. Haus & Grund Deutschland fordert daher, die Balance wiederherzustellen: Notwendig sind praxistaugliche Verfahrenserleichterungen, aber keine zusätzlichen Verbote oder Verantwortungsverschiebungen zulasten der Eigentümer. Ob das Gesetz tatsächlich zur Entlastung der Wohnungsmärkte beiträgt, wird sich daran messen lassen, ob es die privaten Eigentümer stärkt und einbindet – oder ob es sie weiter ausgrenzt und damit den Wohnungsbau behindert.

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