BGH: Verweis auf Verwaltervollmacht für Eigentümerversammlung ist rechtmäßíg
Urteil v. 29.01.2024 - V ZR 80/23
Ein während der Corona-Pandemie gefasster Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist nicht auf Grund dessen nichtig, weil die Wohnungseigentümer an der Eigentümerversammlung nur durch Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter teilnehmen konnten.
Während der Corona-Pandemie lud die Verwalterin schriftlich zur Eigentümerversammlung. Im Zuge dessen wurde aufgefordert, die dem Schreiben beigefügte Vollmacht zu unterschreiben und Weisungen für die Stimmabgabe zu erteilen. Die streitgegenständliche Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus vierundzwanzig Parteien, davon haben fünf die Verwalterin bevollmächtigt. Die Kläger, Mitglieder der beklagten GdWE, erteilten keine Vollmacht. In der darauf stattfindenden Versammlung im November 2020 war nur die Verwalterin anwesend. Am 24. November 2020 teilte die Verwalterin, dass auf Grund der Vollmachten sie allein anwesend war und mit diesem Schreiben wurde auch das Protokoll mit den gefassten Beschlüssen übersandt.
Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die amtsgerichtliche Entscheidung wiederhegestellt.
Nach Ansicht des BGH sind die Beschlüsse nicht nichtig. Die einmonatige Klagefrist der Anfechtungsklage gem. § 45 S. 1 WEG ist nicht gewahrt worden, daher wurden allein die Nichtigkeitsgründe geprüft. Entsprechend dem WEG er-folgte die Einberufung und Abhaltung der Eigentümerversammlung ordnungsgemäß. Aktuell sieht das Wohnungseigentumsgesetz eine rein virtuelle Versammlung noch nicht vor, daher muss es grds. zu einem physischen Zusammentreffen kommen. Ist in der Versammlung lediglich eine Person an-wesend, welche die Versammlungsleitung sowie die Vertretung innehat, handelt es sich um eine sog. Vertreterversammlung. In einer solchen können Beschlüsse gefasst werden, so der BGH. Wichtig hierfür ist, dass alle Eigentümer eingewilligt und den Verwalter bevollmächtigt haben. Im Vorliegenden fehlt es hieran, es haben nicht alle Eigentümer zugestimmt, was dazu führt, dass die Versammlung in Präsenz hätte stattfinden müssen. Daran ändern auch die Bestimmungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie nichts. Nach dem WEG gibt es keine abweichenden Bestimmungen, sodass es zur Anwendung der regulären Bestimmungen kommt. Diese Vorschriften wurden von der Verwalterin nicht eingehalten, was allerdings nicht zu einer Nichtigkeit der Beschlüsse führt. Zu einer Nichtigkeit kommt es nur dann, wenn gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird, auf welche nicht wirksam verzichtet werden kann. Nach der Rechtsprechung des BGH kann es zwar zu einer Nichtigkeit kommen, wenn in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingegriffen werden soll. Das ist vorliegend nicht der Fall, da es hier um das Zustandekommen eines Beschlusses geht. Bei den Formvorschriften zur Einberufung einer Eigentümerversammlung handelt es sich um dispositives Recht und kann durch Vereinbarungen abgeändert werden. Auf Grund dessen führt eine Nichtladung einzelner Eigentümer regelmäßig nur zur Anfechtung einzelner Beschlüsse.
Ferner war der Verwalter während der Corona-Pandemie in einer unauflöslichen Konfliktsituation. Die Durchführung einer Versammlung unter-liegt in Ausnahmesituationen vor allem Praktikabilitätserwägungen. Denn es ist auch im Interesse der Wohnungseigentümer, dass während der Pandemie Versammlungen stattgefunden haben.
Durch die versäumte Anfechtungsfrist bedurfte die Frage, ob ein Beschlussanfechtungsgrund vorliegt, keiner Entscheidung.