BGH: Festgelegte Wuchshöhen sind vom Bodenaustritt zu ermitteln
Urteil v. 27. Juni 2025 - Az. V ZR 180/24
Die Parteien sind Nachbarn, deren Grundstücke aneinandergrenzen. Die Beklagten haben im Zuge des Hausbaus im Jahr 1994 den hinteren Teil ihres Grundstücks um etwa einen Meter aufgeschüttet. Entlang der Grenze zum Grundstück der Kläger befinden sich ein portugiesischer Lorbeer, ein Flieder, eine Kreppmyrte sowie ein Rosenstrauch.
Die Kläger verlangen von den Beklagten im Wesentlichen, diese Pflanzen jedes Jahr zwischen Oktober und Februar auf eine Höhe von 1,80 m zurückzuschneiden, gemessen vom Bodenniveau ihres eigenen Grundstücks. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagten dazu, Lorbeer, Flieder und Kreppmyrte jährlich auf 1,80 m zurückzuschneiden, wobei die Höhe ab der Stelle des Bodenaustritts der Pflanzen zu messen sei; hinsichtlich des Rosenstrauchs wies es die Klage ab. Das Landgericht änderte dieses Urteil teilweise ab: Der Lorbeer sollte nur auf 4 m, die übrigen Pflanzen einschließlich des Rosenstrauchs hingegen auf 1,80 m zurückgeschnitten werden – jeweils gemessen vom Bodenniveau des klägerischen Grundstücks.
Mit ihrer Revision verfolgten die Beklagten das Ziel, die Klage hinsichtlich des Lorbeers und des Rosenstrauchs insgesamt abweisen zu lassen und Flieder sowie Kreppmyrte lediglich auf 1,80 m zu begrenzen, gemessen jeweils ab dem Austritt der Pflanzen aus dem Boden.
Die Annahme des Landgerichts, die zulässige Pflanzenhöhe sei vom tieferliegenden Grundstück der Kläger aus zu berechnen – mit der Folge, dass faktisch ein zusätzlicher Meter hinzugerechnet würde – hielt der BGH für fehlerhaft. Bereits in einem Urteil vom 28. März 2025 (V ZR 185/23) zur Höhe einer Hecke hatte er entschieden: Wird eine Hecke auf einem höher gelegenen Grundstück gepflanzt, ist die nach den landesrechtlichen Nachbarvorschriften zulässige Höhe grundsätz-lich ab dem Punkt zu messen, an dem die Pflanzen aus dem Boden treten. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Bodenniveau im unmittelbaren Zusammenhang mit der Pflanzung künstlich angehoben wurde. Im vorliegenden Fall erfolgte die Aufschüttung jedoch bereits vor etwa 30 Jahren im Zuge der Bebauung des Grundstücks, sodass auf das heutige Bodenniveau abzustellen ist.
Der BGH überträgt den für Hecken entwickelten Grundsatz ausdrücklich auch auf Bäume, Sträucher und andere Gehölze.
Die landesrechtlichen Vorschriften zu Grenzabständen beruhen auf einem Ausgleich zwischen den Interessen der Nachbarn: Einerseits soll der Eigentümer sein Grundstück begrünen und von den Funktionen seiner Bepflanzungen profitieren dürfen, andererseits soll der Nachbar nicht übermäßig durch Licht-, Luft- oder Wasserentzug oder durch bedrängende Wirkung beeinträchtigt wer-den. Diese Eigentumsbeschränkungen rechtfertigen sich aus dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im nachbarschaftlichen Verhältnis. Auch der Eigentümer eines höhergelegenen Grundstücks kann daher darauf vertrauen, dass er nur die gesetzlichen Höhenvorgaben einhalten muss – gemessen jeweils ab dem Austritt der Pflanzen aus dem Boden.