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BGH: Bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentume zur Barrierereduzierung

Urt. v. 09-02.2024 - Az.: V ZR 244/22, V ZR 33/23

Der 5. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschied am 9. Februar 2024 gleich in zwei Verfahren über die Voraussetzungen und Grenzen baulicher Veränderungen im Rahmen der Wohnungseigentümergemeinschaft.

In dem Verfahren V ZR 244/22 sind die Kläger Mitglieder der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Das streitgegenständliche Gebäude aus dem Jahr 1912 ist im Jugendstil errichtet worden und steht unter Denkmalschutz. Die Kläger haben ihre Wohnungen im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses, dessen Fassade im Vergleich zum Vorderhaus, welches im Jahr 1983 den Fassadenpreis der Stadt München erhalten hat, eher schlicht gehalten ist. Im Haus der Kläger ist, anders als im Vorderhaus, kein Aufzug vorhanden. Um den Zugang auch für Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, wollten die nicht körperlich beeinträchtigten Kläger auf ihre Kosten einen Außenaufzug anbringen lassen. Dies wurde in der Versammlung der Wohnungseigentümer vom 26. Juli 2021 allerdings nicht gestattet. Daraufhin erhoben die Kläger Beschlussersetzungsklage, mit der Zielsetzung, dass die Errichtung des Aufzugs beschlossen ist. Das Landgericht München I hat, die im Rahmen der Berufung durch Urteil den Beschluss ersetzt. Der Bundesgerichtshof hat die Revision zurückgewiesen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wird im Beschluss des Landgerichts eine verbindliche Regelung getroffen, welche zum Anbau eines Liftes legitimiert. Es besteht ein Anspruch der Kläger gem. § 20 Abs. 2 S. 1 WEG auf eine bauliche Veränderung, da auch die Grenzen einer zulässigen Bebauung gewahrt sind. Die Maßnahme stellt auch keinen Nachteil für die anderen Eigentümer dar, dies wäre insbesondere der Fall, wenn es sich um eine privilegierte bauliche Veränderung handeln würde. Für eine Begründung der Unangemessenheit ist ein Eingriff in die Bausubstanz, übliche Nutzungseinschränkungen oder optische Veränderung nicht ausreichend, so der BGH. Die Kosten spielen ferner keine Rolle, da sie von dem Eigentümer zu tragen sind, welcher die Maßnahme begehrt. Zudem liegt kein Fall einer grundlegenden Umgestaltung vor, welcher der Errichtung entgegenstehen würde, § 20 Abs. 4 WEG. Auch lässt sich kein Fall einer unbilligen Benachteiligung der anderen Wohnungseigentümer feststellen. Es sind, so der BGH, keine Rechtsfehler durch die tatrichterliche Würdigung des Landgerichts aufgetreten, wodurch die Revision zurückzuweisen war.

Der Sachverhalt des Verfahrens V ZR 33/23 war so gelagert: Die Parteien sind Eigentümer in einer Wohnungseigentümeranlage mit drei Häusern, welche miteinander verbunden sind. Auf der Rückseite befindet sich eine Gartenfläche, daran haben die Erdgeschosswohnungen ein Sondernutzungsrecht. Nach der zugrunde liegenden Teilungserklärung, dürfen auf der Gartenfläche Terrassen errichtet werden, zu maximal einem Drittel. Die Erdgeschosswohnungen haben alle, bis auf die Eckwohnungen, gepflasterte Terrassen errichtet. Die Streithelferin – Sondereigentümerin einer Eckwohnung – stellte auf der Eigentümerversammlung im Oktober 2021 einen Antrag bezüglich einer Rampe als barrierefreien Zugang, einer Aufschüttung unterhalb der Terrasse und das Wohnzimmerfenster durch eine verschließbare Tür zu ersetzen. Dies wurde in der Versammlung vom 14.10.2021 beschlossen woraufhin die Kläger eine Anfechtungsklage erhoben haben. Das Amtsgericht hat den Beschluss für ungültig erklärt und auch die Berufung der Beklagten war erfolglos. Die Streithelferin möchte mit der Revision die Abweisung der Klage erreichen.

Die Revision war erfolgreich, der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Anfechtungsklage abgewiesen. Nach Ansicht des BGH hängt die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses nicht davon ab, ob die Voraussetzungen für eine bauliche Veränderung vorliegen und diese angemessen ist. Dies ist nur entscheidend, sofern der Individualanspruch des Wohnungseigentümers abgelehnt worden ist und gegen den Negativbeschluss vorgegangen wird (siehe Verfahren oben - V ZR 244/22).

Durch die WEG-Reform wurden die Normen §§ 20, 21 WEG grundlegend geändert. Der Sinn und Zweck der Regelungen ist, dass der bauliche Zustand leichter geändert und an verschiedene Gebrauchsbedürfnisse angepasst werden kann. Es müssen lediglich die Grenzen des § 20 Abs. 4 WEG beachtet werden. Daraus folgt, dass die Mehrheit einen Beschluss fassen kann, auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine bauliche Veränderung nicht vorliegen oder hieran Zweifel bestehen. Der BGH führt aus, dass es nicht zu einer unbilligen Benachteiligung durch die Gestattung der baulichen Veränderung kommt.

21.02.2024