Direkt zum Inhalt
Bild
Berlin

Novellierung des Wertermittlungsrechts

Berlin, August 2020

Stellungnahme zur Novellierung des Wertermittlungsrechts (Referentenentwurf einer Immobilienwertermittlungsverordnung, Stand: 19.06.2020)

Bild
Immobilienbewertung

Vorbemerkung

Das Vorhaben, die derzeit verstreut geregelten und nicht bundeseinheitlich bestehenden Vorgaben zur Ermittlung des Verkehrswerts (§ 194 des Baugesetzbuchs – BauGB) sowie zur Ermittlung der Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) und der sonstigen für die Wertermittlung erforderlichen Daten (§ 193 Absatz 5 Satz 2 BauGB) in einer einheitlichen Immobilienwertermittlungsverordnung 2021 zusammenzufassen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Es bietet die Chance einer Erhöhung der Transparenz des Immobilienmarktes und der Bewertung im Allgemeinen.

Was für den Bereich der immobilienwirtschaftlichen Bewertung einen sinnvollen Ansatz darstellt, kann aber für den Bereich der Grundsteuer fatale Folgen haben: Denn sowohl im Bundesmodell des Bundesfinanzministeriums als auch in einigen Ländermodellen, insbesondere dem derzeit von Baden-Württemberg favorisierten Bodenrichtwertmodell, spielen die in der ImmoWertV 2021 geregelten Bodenrichtwerte sowie – beim Bundesmodell – die wertbeeinflussende und jetzt verbindlich vorgegebene Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes eine maßgebliche Rolle bei der steuerlichen Bewertung. Sie beeinflussen damit letztlich auch die Verteilung der Steuerlast unter den Grundsteuerzahlern innerhalb einer Gemeinde. Unterstellt man realistischerweise, dass viele Gemeinden ihre Hebesätze nicht entsprechend der geänderten Grundsteuer-Bewertungsmethode anpassen, kommen dadurch massive Grundsteuer-Mehrbelastungen auf die Bürger zu.

Die schon direkt im Bewertungsgesetz bei der Grundsteuer-Wertermittlung festzustellenden starken Pauschalierungen bei den Mieterträgen setzen sich nun im Referentenentwurf zur Immobilienwertermittlungsverordnung 2021 fort. Dies gefährdet die Steuergerechtigkeit, denn die Möglichkeit, wertmindernde individuelle Faktoren einer Immobilie bei der steuerlichen Bewertung zu berücksichtigen, wird dadurch massiv eingeschränkt.

Steuerliche Zwecke scheinen hier überhaupt ein wesentlicher Treiber der aktuellen Novellierung zu sein, denn das Ziel einer vereinfachten Steuererhebung wird im Referentenentwurf mehrfach ausdrücklich als vorrangiges Reformziel genannt. Insoweit ist auch eine klare Parallele zum Bewertungsgesetz n. F. zu ziehen, wo es in der Erläuterung zu § 250 Abs. 2 heißt:

„Im Rahmen der steuerlichen Massenbewertung kommt das Ertragswertverfahren insbesondere in den Fällen in Betracht, in denen der objektiviert-reale Wert durch einen Sollertrag bestimmt wird und dieser durch realitätsgerechte, statistisch ermittelte Erträge abgeleitet werden kann. Die Wertermittlung kann dadurch für den Großteil der Fälle anwenderfreundlich ausgestaltet werden. Auf eine Ortsbesichtigung kann regelmäßig und auf ein Sachverständigengutachten gänzlich verzichtet werden …“

Im Einzelnen:

Regelungen zur Bodenrichtwertermittlung
(Teil 2 Abschnitt 2 ImmoWertV 2021)

Der steuerliche Wert unbebauter Grundstücke wird nach dem Bundesmodell künftig allein auf Grundlage des Bodenrichtwertes bestimmt. Damit und mit seiner starken Berücksichtigung auch beim bebauten Grundstück erhält der Bodenrichtwert künftig eine große Bedeutung für die steuerliche Wertermittlung bei der Grundsteuer.

Besonders problematisch erweist sich in der Praxis die Bildung von Bodenrichtwertzonen, die häufig zu einer Überbewertung einzelner Grundstücke innerhalb einer Zone führen, wenn benachbarte Einzelverkaufsfälle zur Richtwertermittlung herangezogen werden. Hier wurde sogar direkt eine Regelung aus dem Grundsteuer-Reformgesetz herangezogen und in § 15 Abs. 1 ImmoWertV-E integriert: Demnach können lagebedingte Wertunterschiede zwischen der Mehrheit der Grundstücke und dem Bodenrichtwertgrundstück bis zu 30 Prozent betragen. Diese erhebliche Abweichung wird nun zulasten des Steuerzahlers als hinzunehmende Abweichung festgelegt, während bisher ein nicht näher prozentual bestimmter „nicht erheblicher“ Wertunterschied als noch tolerierbar galt.

Eine für den steuerzahlenden Immobilieneigentümer nützliche verbindlichere Regelung zur Art des automatisierten Führens der Bodenrichtwerte (§ 17 ImmoWertV-E) wurde hingegen unterlassen. Dies ist umso bedauerlicher, als nach wie vor zahlreiche Gemeinden keine oder nur kostenpflichtige Auskünfte zum aktuellen Bodenrichtwert – zum Teil nur auf Antrag hin – erteilen und ein aktueller Bodenrichtwert vielfach nicht online kostenfrei verfügbar ist.

Eine weitere bisher nicht genutzte Gelegenheit zur bürgerfreundlichen Gestaltung liegt in der Frage der Justiziabilität von Bodenrichtwerten. Nach wie vor hat der Steuerpflichtige keine Möglichkeit, rechtlich gegen eine aus seiner Sicht zu hohe Bodenrichtwert-Einstufung seiner Immobilie vorzugehen. Zwar können hier die vorgesehenen verbindlicheren Regelungen zur Bodenrichtwertermittlung eine größere Transparenz schaffen. Doch wird dies zumeist nur für den Experten nachvollziehbar sein. Die Chance, dem Bürger gegen eine nicht ordnungsgemäße Bodenrichtwertermittlung ein geeignetes Rechtsmittel an die Hand zu geben, wurde bisher nicht genutzt.

Es darf überdies in diesem Zusammenhang bezweifelt werden, ob die detaillierten neuen Vorgaben der neuen Immobilienwertermittlungsverordnung in Anbetracht der aktuellen personellen und sachlichen Ausstattung der Gutachterausschüsse tatsächlich bundeseinheitlich in allen Gutachterausschüssen zeitnah umgesetzt werden können.

Verbindliche Vorgaben zur Gesamtnutzungsdauer
(§ 4 Abs. 2 ImmoWertV-E)

Für Zwecke der Grundsteuer-Wertermittlung gibt das Bewertungsgesetz nun in Anlage 38 verbindliche Zeiträume vor. Bedeutung können hier allgemeine Vorschriften aus der ImmoWertV-E nur erlangen, wenn ein Sachverständigengutachten zum Nachweis eines abweichenden gemeinen Wertes zum Tragen käme. Die Möglichkeit, einen tatsächlich geringeren Wert einer Immobilie durch ein Sachverständigengutachten nachzuweisen, ist im Bewertungsgesetz zwar nicht vorgesehen, von der Rechtsprechung aber auch für diese Fälle ausdrücklich zugelassen und steuerverfassungsrechtlich gefordert (vgl. BFH vom 30.01.2019 – II R 9/16).

Wenn nun auch die ImmoWertV 2021 bei der Gesamtnutzungsdauer unwiderlegliche Annahmen vorsehen soll, wird die Möglichkeit, individuelle Gegebenheiten der Immobilie bei der steuerlichen Bewertung durch ein Gutachten nachzuweisen, extrem eingeschränkt. Der Steuerpflichtige hat praktisch kaum noch eine Möglichkeit, die tatsächlichen Gegebenheiten seiner Immobilie in die steuerliche Wertermittlung einfließen zu lassen.