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Interview mit Robert Habeck, Bündnis 90/Die Grünen

„Wir müssen besser werden, was den Klimaschutz anbelangt“

Anlässlich der Bundestagswahlen am 26. September 2021 führt Haus & Grund Interviews mit ausgewählten Spitzenpolitikern der großen Parteien. In dieser Ausgabe diskutieren Robert Habeck, Bundesvorsitzender der Grünen und Kai H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, über die Energiewende im Gebäudebestand, höhere staatliche Förderungen, die Modernisierungsmieterhöhung und die Deckelung von Mieten.

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Robert Habeck und Kai Warnecke
Anna Katharina Fricke, Robert Habeck, Kai Warnecke (v.l.n.r.); Copyright: Anne Hufnagl

In manch einer Umfrage liegen die Grünen einige Monate vor der Bundestagswahl sogar vor der CDU. Wird mit der Bundestagswahl eine neue Ära des Umwelt- und Klimaschutzes eingeleitet?

Habeck: Leider ja. Leider weil „neu“. Wir haben in Deutschland in Sachen Klimaschutz bisher zu kleine Schritte gemacht, um die internationalen Klimaziele zu erreichen. Der öffentliche Druck, dass sich was ändern muss, steigt mit jedem Zögern. Es fehlt an Planungssicherheit für Industrie, Investoren oder auch Vermieter. Das muss in der nächsten Regierung besser werden. Darum wollen wir sie anführen.

Was bedeutet das genau für den Gebäudebestand? Wohin geht die Reise und was sind Ihre konkreten Ziele?

Habeck: Wenn wir über Klimapolitik reden, müssen wir in allen Bereichen besser werden. Die Ziele müssen verbindlich sein, auch über das Jahr 2030 hinaus, was das Bundesverfassungsgerichtsurteil kürzlich bestätigt hat. Der Gebäudebestand ist ein großer Emittent. Das bisherige Ziel der jetzigen Bundesregierung, den CO2-Ausstoß um 55 Prozent zu senken, wird auf 65 Prozent erhöht. Doch selbst das reicht nicht. Wir müssen in jedem Falle besser werden: Es muss mehr und umfänglicher saniert werden. Das wiederum heißt aus meiner Sicht, dass im Neubau das KfW-Effizienzhaus 40 zum Standard werden muss und nicht mehr anders gebaut werden sollte. Bei Sanierungen wollen wir den KfW-55-Standard einführen. Gleichzeitig möchten wir die öffentlichen Förderungen aufstocken, um die Anreize zu erhöhen.

Welche Forderungen hat Haus & Grund?

Warnecke: Wenn ich einen Blick in Ihr Wahlprogramm werfe, fehlen mir Vorschläge für die Grundlagen, auf denen ein privater Eigentümer agieren könnte, um die energetische Modernisierung voranzutreiben. Beispiel: Wir fordern, dass wir in den nächsten Jahren einen Versorgungsatlas brauchen. Darin steht für jede Straße in Deutschland, ob und ab wann diese mit erneuerbarer Energie versorgt wird. Wir brauchen mehr Planungssicherheit, was bis zum Jahr 2050 passiert. Und wir brauchen individuelle Gebäudesanierungsfahrpläne. Die sind vorhanden in Ihrem Programm. Aber die werden nur gefördert. Warum sagt man nicht einfach: Bis 2025 hat jeder einen Fahrplan in der Hand?

Habeck: Ich stimme Ihnen bei der Quartiersbetrachtung und Energieversorgung zu. Ein Energienetz kann verschiedene erneuerbare Quellen nutzen. Skandinavien macht es vor. Da, wo Fern- oder Nahwärme vorhanden oder geplant sind, sollten Kommunen schnell einen Plan aufstellen. Der Bund kann finanziell unterstützen, wenn die Wärmequelle klimaneutral ist. Ziel sollte es ja sein, von der Einzelbefeuerungsanlage wegzukommen, hin zur Quartiersversorgung. Aber natürlich ist das nicht in allen Gebieten Deutschlands umsetzbar und es sind sehr große Investitionen und oft lange Planungszeiträume.

Einerseits müssen Vermieter immer tiefer in die Tasche greifen, um den immer strikteren Anforderungen an die energetische Sanierung gerecht zu werden. Andererseits möchten Sie laut Wahlprogramm die Modernisierungsmieterhöhung weiter absenken, und zwar auf maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter. Wie soll diese Rechnung aufgehen?

Habeck: Das Modell sieht so aus: Wir erhöhen die Standards und gleichzeitig die öffentliche Förderung. Davon profitieren Vermieter wie Mieter. Beispiel Heizung: Wenn ein Austausch ansteht, sollen Erneuerbare, wo immer möglich, verbindlich zum Einsatz kommen. Wir legen dazu ein Investitionsprogramm für zwei Millionen Wärmepumpen bis zum Jahr 2025 auf. Gleichzeitig soll die Modernisierungsumlage weiter sinken, absolut gedeckelt auf 1,50 Euro pro Quadratmeter. So werden energetische Sanierungen perspektivisch warmmietenneutral möglich sein. In dieser Trias von Vermieter, öffentlicher Hand und Mieter geht die Rechnung auf. Nicht zuletzt investieren Eigentümer mit Sanierungen ja auch in die Wertsteigerung ihres Hauses.

Herr Warnecke, geht diese Rechnung Ihrer Meinung nach auf?

Warnecke: Wir sehen es bei unseren Mitgliedern, dass diese Rechnung häufig nicht aufgeht. Eine Wertsteigerung bemerkt der Einzeleigentümer nicht – die ist eher abstrakt. Er bemerkt sie allenfalls bei der höheren Grundsteuer, er bemerkt sie bei einer vielleicht kommenden Vermögensteuer. Eine Wertsteigerung aber bezahlt nicht die energetischen Maßnahmen. Dafür braucht es Liquidität. Bei einer Wohnung von 70 Quadratmetern dürfte nach Ihren Vorstellungen 105 Euro mehr Miete monatlich genommen werden.

Habeck: Wenn der Eigentümer die Wohnung als Cashcow sieht, also als Anlageform, mit der er Gewinn machen möchte, dann kann er nicht viel investieren. Der Punkt, wo wir nicht übereinstimmen, ist, wenn Sie sagen, jede Investition müsse sich sofort auszahlen. Wir denken nachhaltiger. Da ist der Investitionszeitraum entscheidend. Immobilien sind langfristige Investitionen für 50 Jahre oder mehr. Wer da nach 15 Jahren schon im Gewinnbereich sein will, hat in der heutigen Zeit überzogene Ansprüche.

Warnecke: Gerade unsere Mitglieder erwarten nicht, dass die energetische Modernisierung zur Cashcow wird. Aber: Sie erwarten eine gewisse Rendite mit der Miete. Diese liegt übrigens oft bei nur etwa einem Prozent. Wenn Eigentümer hingegen nur auf Wertsteigerung achten, dann sind das Spekulanten, ohne Interesse an Stadt, Gemeinde und Mietern. So agieren unsere Mitglieder nicht – die übernehmen Verantwortung.

 

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Robert Habeck und Kai Warnecke
Kai H. Warnecke, Robert Habeck (v.l.n.r.); Copyright: Anne Hufnagl

Die Grünen möchten bundesweite Obergrenzen für Mieten einführen. Kommt der deutschlandweite Mietendeckel?

Habeck: Nein, da muss ich Sie korrigieren. Wir wollen keinen bundesweiten Mietendeckel einführen. Wir möchten den Bundesländern die Möglichkeit geben, das für sie richtige Instrument, wie die Mietpreisbremse oder eine Mietobergrenze, wählen zu können. Wir haben ja gesehen, dass Länder und Kommunen aktuell keine rechtssicheren eigenen Maßnahmen erlassen können.

Herr Warnecke, warum ist ein Mietendeckel Ihrer Ansicht nach nicht das richtige Instrument?

Warnecke: Wenn ich das richtig verstanden habe, Herr Habeck, wollen Sie ein Bundesgesetz, das Kommunen einen Mietendeckel ermöglicht. Das lehnen wir natürlich ab. Sie haben es ja schon angesprochen: In Berlin führte das zur Reduzierung des Mietwohnungsangebots um 60 Prozent, gleichzeitig kamen 50 Prozent mehr Wohnungen zum Verkauf auf den Markt, da vermietende Eigentümer die Notbremse gezogen haben. Diese wurden dann vornehmlich von institutionellen Anlegern gekauft, die das Ziel haben, die Immobilie gewinnorientiert weiterzuverkaufen. Diese Miethaie tragen zu einer Eskalation bei, die die Stimmung weiter aufheizt.

Habeck: In Berlin war die Stimmung schon vorher aufgeheizt aufgrund der starken Mietpreissteigerungen und der Mietendeckel war eine Reaktion auf die aufgeheizte Stimmung. Bei allem Verständnis für Eigentümer – das Mieten und Wohnen ist für viele zu einer existenziellen sozialen Frage geworden. Am Ende hilft es nur, mehr zu bauen, damit sich die Wohnungslage entspannt. Auch da hat die Bundesregierung ihre selbstgesteckten Ziele nicht erreicht und wir verlieren immer noch mehr Sozialwohnungen als neue entstehen. Bis es wieder ausreichend sozialen und bezahlbaren Wohnraum gibt, braucht es in bestimmten Regionen ein schärferes Mietrecht als in normalen Zeiten.

Ist das Umwandlungsverbot Ihrer Ansicht nach ein Instrument, um den Wohnungsmarkt zu entspannen?

Habeck: Es ist ein weiteres Instrument, um die soziale Wohnungsnot zu lindern und zu verhindern, dass Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Es gibt nun mal die Spekulation mit Wohnraum. Daran sind nicht die Kleinvermieter schuld, die oft ein sehr persönliches Verhältnis zu ihren Mietern haben und sehr verantwortungsvoll die Mieten nicht über die Maßen erhöhen. Anders sieht es mit den großen Spekulanten aus. Denen muss Einhalt geboten werden, indem man in bestimmten innerstädtischen Lagen nicht mehr umwandeln darf, bis sich die Lage entspannt hat.

Warnecke: Unsere Mitglieder wollen ihre Immobilien nicht selber aufteilen. Sie geben auf und verkaufen ein Mehrparteienhaus als Ganzes. Aber wer jetzt kauft, will die Immobilie versilbern – die großen Investmentfonds. Mit dem Umwandlungsverbot doktert Bauminister Horst Seehofer folglich an Symptomen herum. Es reglementiert eine Situation, die überhaupt erst durch die politischen Rahmenbedingungen verursacht worden ist. Da sehen wir das Problem.

Mit der Diskussion um das Wohnen im Einfamilienhaus ist in letzter Zeit eine heftige Debatte entbrannt. Ist diese Form des Wohnens Ihrer Meinung nach nicht mehr zeitgemäß?

Habeck: Das Einfamilienhaus gehört als Sehnsuchtsort und Teil der Familien- und Lebensplanung zur deutschen Wohnkultur – gerade in der Pandemie. Und das wird auch so bleiben. Natürlich müssen sich Kommunen mit der Frage von Flächenverbrauch und effizienter Nutzung von Wohnraum auseinandersetzen, besonders in Innenstädten, wo Wohnraum begrenzt ist. Im Zentrum Berlins, wo wir Wohnraum für viele Menschen brauchen, werden in den kommunalen Bebauungsplänen wohl auch weiterhin Mehrfamilienhäuser statt Einparteienhäuser auftauchen.

Warnecke: Dann darf ich das für unsere Mitglieder mitnehmen: Der Traum vom Eigenheim endet also nicht im September 2021.

Herr Habeck, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Anna Katharina Fricke
Referentin Presse und Kommunikation

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