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Zustimmung zur Mieterhöhung schließt Vertragsanpassungsanspruch aus

BGH: Falsche Wohnfläche unerheblich, solange ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten wird

Der Fall:
Der Mieter begehrte vom Vermieter Rückzahlung von Anteilen der monatlichen Miete im Zeitraum von 2011 bis 2013. Im Jahre 2011 hatte er einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters zugestimmt und anschließend die höhere Miete gezahlt. Im Rahmen des Mieterhöhungsverfahrens hatte sich Vermieter auf die ortsübliche Vergleichsmiete seiner Gemeinde berufen und der Wohnung 113,66 qm Wohnfläche zugrunde gelegt. 2013 kamen dem Mieter erstmals Zweifel an der angegebenen Wohnfläche, die er selbst mit nur 99,75 qm ermittelte. Er machte nun geltend, dass er der 2011 begehrten Mieterhöhung nicht in der vollen Höhe zugestimmt hätte, wenn er die wahre Wohnfläche damals bereits bekannt hätte.

Das Problem:
In einer anderen Konstellation hat der BGH im Jahr 2004 einen Vertragsanpassungsanspruch des Mieters nach § 313 BGB (sog. Wegfall der Geschäftsgrundlage) bejaht. In dem damaligen Fall basierte das Mieterhöhungsverlangen ebenfalls auf einer zu hohen Quadratmeterangabe, die Ausgangsmiete pro Quadratmeter entsprach aber bereits der ortsüblichen Vergleichsmiete. Folglich lag die nach Zustimmung des Mieters zur Mieterhöhung vereinbarte Miete bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche deutlich oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete. Dies war dem Mieter nicht zumutbar, so der BGH mit Urteil vom 7. Juli 2004, VIII ZR 192/03.

Das Urteil:
Der BGH bekräftigte zunächst noch einmal seine bisherige Rechtsprechung dahingehend, dass eine Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen, gleichgültig ob dieses Verlangen formell und materiell (inhaltlich) den gesetzlichen Anforderungen genügt, eine vertragliche Vereinbarung über die neue Miethöhe darstelle. Für die vorliegende Fallkonstellation stehe dem Mieter zudem kein Anspruch auf Vertragsanpassung (§ 313 BGB) zu, weil die vom Vermieter angegebene Wohnfläche zwar größer als die tatsächliche ist, die erhöhte Miete aber auch unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche noch unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Der Irrtum über die tatsächliche Wohnfläche könne zwar ein beidseitiger Motivirrtum (Kalkulationsirrtum) darstellen, der unter den Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB zur Vertragsanpassung führen könne. In dem zu entscheidenden Fall sei dem Mieter jedoch das Festhalten an der vertraglichen Vereinbarung zur Mieterhöhung zumutbar, selbst unter Abwägung aller Umstände und der vertraglichen Risikoverteilung. Die Ermittlung der tatsächlichen Wohnfläche liege dabei durchaus in der Risikosphäre des Vermieters. Allerdings habe sich der Irrtum über die Wohnfläche nicht zum wirtschaftlichen Nachteil des Mieters ausgewirkt, da das Mieterhöhungsverlangen selbst bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche der ortsübliche Vergleichsmiete entsprach.
Dies zeigt eine einfache Beispielsrechnung: Liegt die ortsübliche Vergleichsmiete bspw. nach dem Mietspiegel bei 8,50 €/m² und die derzeitige Nettokaltmiete beträgt 400,- €, dann macht es für das Mieterhöhungsverlangen im wirtschaftlichen Ergebnis keinen Unterschied, ob die Wohnfläche 70 m² oder nur 60 m² beträgt: Im ersten Fall kann der Vermieter die Zustimmung von 5,71 €/m² um maximal 20 % auf 6,86 €/m² verlangen und im zweiten Fall von 6,66 €/m² auf 8,00 €/m². Die Miete erhöht sich so oder so im Ergebnis von 400,- € auf maximal 480,- €, während die ortsübliche Vergleichsmiete (für 60 m²) insgesamt 510,- € beträgt. Der Vermieter bleibt also in jedem Fall darunter.

Das sagt Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg dazu:
Ein auf den ersten Blick positives Urteil für Vermieter. Allerdings dürfte diese Fallkonstellation eher selten vorkommen. Sofern die Miete durch eine zu hohe Wohnflächenangabe oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, bleiben nach dem BGH-Urteil aus dem Jahr 2004 ein Vertragsanpassungsanspruch des Mieters und damit auch Rückforderungsansprüche nebst Zinsen grundsätzlich möglich. Auch aus diesem Grunde ist es sinnvoll, die Wohnfläche im Zweifelfall zunächst durch eine fachkundige Person bestimmen zu lassen. Mitglieder von Haus & Grund Bonn/Rhein-Sieg können sich hierzu an Frau von Jasienicki oder Herrn Füllmann wenden.

BGH, Urteil vom 11.12.2019, AZ: VIII ZR 234/18

Amtlicher Leitsatz:
"a) Stimmt der Mieter einem Mieterhöhungsbegehren des Vermieters zu, kommt dadurch unabhängig davon, ob das Mieterhöhungsbegehren den formellen Voraussetzungen des § 558a BGB genügte und materiell berechtigt war eine vertragliche Vereinbarung über die begehrte Mieterhöhung zustande (Bestätigung der Senatsurteile vom 8. Oktober 1997 VIII ZR 373/96, NJW 1998, 445 unter II 1 c cc sowie vom 7. Juli 2004 - VIII ZR 192/03, NJW 2004, 3115 unter II 2).
b) Stimmt der Mieter einem Mieterhöhungsverlangen zu, das auf einer unrichtigen (zu großen) Wohnfläche beruht, liegen die Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB ungeachtet eines Kalkulationsirrtums der Parteien bezüglich der Wohnfläche nicht vor, wenn der Vermieter die vereinbarte Mieterhöhung unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche auch in einem gerichtlichen Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558, 558b BGB hätte durchsetzen können; denn in einem solchen Fall ist dem Mieter ein Festhalten an der Vereinbarung zumutbar."

 

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