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Rechtstipp

Ordentliche Kündigung Entfällt durch Nachzahlung?

Im Zuge der jüngsten wohnungspolitischen Beratungen hat die Regierungskoalition unter dem Stichwort „Bezahlbares Wohnen“ Änderungen im Mietrecht angekündigt – eine davon betrifft die sogenannte Schonfristzahlung bei Kündigungen. Im Folgenden skizziere ich die geplanten Änderungen, deren rechtliche Ausgangslage sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken – insbesondere auch aus Sicht der Vermieterseite.

1. Aktueller Rechtsstand: Schonfristzahlung im Mietrecht

Nach der Rechtsprechung und der gesetzlichen Lage besteht derzeit folgendes System: Bei Mietrückständen ist eine sogenannte Schonfrist oder Nach­zahlungsmöglichkeit nur im Rahmen der fristlosen (außerordentlichen) Kündigung vorgesehen. Konkret regelt § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB, dass bei Mietrückständen ein Kündigungsrecht des Vermieters nur dann besteht, wenn der Mieter bis zur Räumungsklage nicht vollständig nachgezahlt hat. Wird jedoch gezahlt, so wird die fristlose Kündigung unwirksam.  

Dagegen bleibt bei einer ordentlichen Kündigung mit Rückstand – also einer Kündigung gemäß § 573 Abs. 1 BGB wegen schuldhafter nicht unerheblicher Pflichtverletzung – die Nachzahlung nach der Entscheidung des Bundesgerichtshof ohne Wirkung; die ordentliche Kündigung bleibt wirksam 

Kurzum: Bisher schützt die Nachzahlung nur vor der fristlosen Kündigung, nicht vor der ordentlichen Kündigung. Diese systemische Differenzierung ist rechtspolitisch und für die Praxis erheblich. 

2. Vorgesehene Änderung: Ausweitung auf ordentliche Kündigung 

Die Koalitionspartner haben nun im Koalitionsvertrag angekündigt, die Schonfristzahlung auszuweiten und damit „um Obdachlosigkeit zu verhindern“ eine einmalige Nachzahlung auch bei ordentlichen Kündigungen zu ermöglichen.

Verbraucherzentrale Bundesverband

Nach einer weiteren Formulierung soll die ordentliche Kündigung bei Zahlungsverzug „einmalig durch Nachzahlung ausgesetzt“ werden.

 Damit würde das bislang geltende Recht – wonach die Nachzahlungsmöglichkeit bei ordentlichen Kündigungen fehlt – gesetzgeberisch aufgehoben.

3. Rechtliche Bewertung – Chancen und Inhalte der Reform
3.1 Zielrichtung 

Die angestrebte Änderung verfolgt erkennbar das Ziel, die Gefahr der Wohnungslosigkeit bei Mietrückständen zu reduzieren. Der Koalitionsvertrag nennt dies explizit als Motivation.  

Von verbraucher- und mieterfreundlicher Seite wird dies begrüßt: Eine Nachzahlungsmöglichkeit stärke das Schutzbedürfnis von Mieter*innen in schwieriger Lage.  

In der Diskussion wird vergessen, das für die drohende Obdachlosigkeit die Ordnungsbehörden bereits heute das mittel der Einweisung in die Wohnung haben. So wird bereits jetzt die Obdachlosigkeit umgangen und die Interessen des Vermieters werden zumindest insoweit gewahrt, als dass die miete für diese Zeit direkt von der Ordnungsbehörde gezahlt wird.

3.2 Normativer Ansatz

Aus normativer Sicht würde eine Änderung bedeuten, dass – im Rahmen einer gesetzlichen Regelung – die Nachzahlung nicht nur eine fristlose, sondern auch eine ordentliche Kündigung der Mieträumlichkeit verhindern kann. Damit müsste das Gesetz konkret festlegen, unter welchen Voraussetzungen (z. B. Höhe des Rückstands, Fristsetzung, Härtefall) die Nachzahlung wirkt.

Interpretiert man den Koalitionsvertrag wörtlich, wird von einer einmaligen Nachzahlungsmöglichkeit gesprochen – dies könnte darauf hinweisen, dass kein genereller, unlimitierter Nachzahlungsanspruch entstehen soll, sondern eine eng begrenzte Ausnahme-Regelung.

3.3 Umsetzung und offene Fragen

Einige Punkte bleiben jedoch unklar:

Wird die Nachzahlungsmöglichkeit nur bei ordentlichen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs gelten, oder auch bei anderen ordentlichen Kündigungsgründen? Die Formulierung deutet auf Zahlungsverzug hin.  

In welchem Umfang wird sie gelten (z. B. Rückstandsgrenze, einmalig pro Mietverhältnis, Frist zur Nachzahlung)?

Wird dies als allgemeiner Anspruch des Mieters gelten oder als Ermessen des Vermieters bzw. Verwaltungsbehörde? 

Wie wird die Regelung mit § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB (Pflichtverletzung durch Zahlungsverzug) zusammengeführt?

Welche Auswirkungen hat dies auf die Praxis der Beendigung von Mietverhältnissen – insbesondere hinsichtlich Ankündigung, Kündigung und Räumung?

3.4 Chancen für den Mieter- und Vermieterbereich, Gewinn für die Ordnungsbehörden

Für Mieterinnen bietet die Regelung eine kleine Verbesserung: In Härtefällen könnte sie den Verlust der Wohnung durch Zahlungsverzug verhindern.

Für Vermieterinnen bedeutet sie hingegen eine Einschränkung: Die Kündigung bei Zahlungsverzug verliert eine wirksame Schutzfunktion. Dies könnte mit Blick auf Zahlungsmoral, Risiko und Verhandlungsposition eine Bedeutung haben.

Ordnungsbehörden müssen zum Schutz vor Obdachlosigkeit weniger Notwohnraum zur Verfügung halten und weniger finanziellen Aufwand für die Unterbringung von geräumten Mietern. 

4. Praktische Auswirkungen – Besonderheiten bei Schleswig-Holstein & Hamburg 

In angespannten Wohnungs­märkten und Regionen mit hohem Mietdruck (z. B. Hamburg) wird die Maßnahme politisch stärker begründet – d. h., Vermieter könnten verstärkt mit Nachzahlungswünschen von Mietern konfrontiert werden.

 Bei der Gestaltung von Mietverträgen (z. B. Nachfristsetzungen, Kündigungsklauseln, Mahnverfahren) sollte künftig geprüft werden, ob — im Hinblick auf die geplante Regelung — die Vertragspraxis angepasst werden muss (z. B. kürzere Fristen, klare Dokumentation von Mahnungen und Rückständen).

Für die Abwicklung von Räumungsverfahren – insbesondere bei Zahlungsverzug – ergibt sich eine neue Komplexität: Vermieter müssen künftig prüfen, ob eine gesetzliche Nachzahlungsmöglichkeit besteht bzw. ob der Mieter diese realisieren kann, bevor ordentliche Kündigung bzw. Räumung wirksam werden kann. So könnte der Mieter auf eine fristlose Kündigung hin zur Räumung verurteilt sein und durch Schonfristzahlung die dem zugrundeliegende Kündigung weiterhin beseitigen? Solche Probleme müssen prozessual ausgeräumt werden.

5. Kritische Aspekte und Risiken
5.1 Vermieterinteressen

Die neue Regelung erschwert die Durchsetzbarkeit der Kündigung bei Zahlungsproblemen und kann die Rückstände- und Liquiditätsrisiken für Vermieter erhöhen. Zudem könnte das Verhandlungsgewicht der Vermieter im Mahn- und Kündigungsprozess sinken.

Auch die Frage der „einmaligen“ Nachzahlung wirft auf: Wenn der Mieter die Nachzahlung realisiert, jedoch anschließend erneut rückständig wird, gilt dann wieder eine Kündigung? Die Gesetzesformulierung wird hier entscheidend sein.

5.2 Mieter- und Mieterschutz

Auch wenn der Schutzgedanke nachvollziehbar ist, besteht die Diskussion, ob eine generelle Nachzahlungsmöglichkeit nicht zu Lasten einer Restriktion der Kündigungsmöglichkeit führt und damit die Vertragsdisziplin untergräbt. In Mietrecht und Immobilienmarkt besteht ein Spannungsfeld zwischen Schutzbedürftigkeit und Vertragsverantwortung.

Weiterhin bleibt abzuwarten, ob die Regelung nur bei konkretem Obdachlosigkeitsrisiko gilt oder generell anzuwenden ist.

5.3 Folgen für die Praxis 

Die Umsetzung könnte zu einer zusätzlichen Komplexität in Kündigungs- und Räumungsvorgängen führen.

Immobilieneigentümer könnten künftig verstärkt mit Nachzahlungsanträgen konfrontiert werden, was Zusatzaufwand und Verfahrensrisiken birgt.

Mietminderungs- oder Räumungsverzugs­situationen könnten sich verlängern oder schwieriger abwickeln lassen. 

6. Fazit und Handlungsempfehlung für die Praxis 

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die vorgeschlagene Erweiterung der Schonfristzahlung auf die ordentliche Kündigung ist ein durchaus schwieriger Schritt im Mietrecht – entlastet wird die Behörde. Der Zahlungsdruck für Mieter bleibt gleich, der Inkassodruck und drohende Einnahmeausfäll für Vermieter sind schwieriger und langwieriger.

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