
ESG und EU‑Taxonomie: Orientierung für Immobilieneigentümer
In der Immobilienwirtschaft hat sich in den vergangenen Jahren ein grundlegender Wandel vollzogen. Investoren, Banken und Politik verlangen nicht nur attraktive Renditen, sondern auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Umwelt, Gesellschaft und guter Unternehmensführung – kurz ESG (Environmental, Social, Governance). Die Europäische Union hat mit einer Fülle von Richtlinien und Verordnungen reagiert. Unter anderem verlangt die Energy Performance of Buildings Directive (EPBD), dass der Gebäudebestand energieeffizienter, klimaneutral und transparenter wird; Neubauten sollen ab 2030 nahezu klimaneutral sein (Zero‑Emission‑Building‑Standard) und es gelten Photovoltaik‑Pflichten. Parallel dazu legt die EU‑Taxonomie‑Verordnung fest, wann eine wirtschaftliche Aktivität als ökologisch nachhaltig gilt und beeinflusst damit Förderungen und Finanzierungskonditionen. Für Immobilieneigentümer ist dieses Regelwerk komplex, doch es bietet auch Chancen.
Was bedeutet ESG für Immobilien?
ESG steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Immobilienbetreiber müssen zunehmend nachweisen, wie ihre Gebäude diese Kriterien erfüllen. In der Praxis bedeutet das beispielsweise:
- E (Environmental): Energieeffizienz, Ressourcenschonung, geringe CO₂‑Emissionen und nachhaltige Baustoffe. Die EU will bis 2030 mindestens 42,5 % des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen decken und ineffiziente Gebäude sanieren.
- S (Social): Gesundheit und Sicherheit der Bewohner, barrierefreie Zugänge, fairer Umgang mit Mietern und Beschäftigten.
- G (Governance): Transparente Strukturen, Einhaltung von Gesetzen und Antikorruptionsvorgaben, risikobasierte Unternehmensführung.
Private Eigentümer geraten vor allem über den Energie‑ und Klimaschutz in den Fokus. Ein effizientes Gebäude spart nicht nur Betriebskosten, sondern steigert auch den Wert: Ende 2023 lagen die Preise für Mehrfamilienhäuser der Effizienzklasse A/A+ im Schnitt etwa 30 % über denen mit den Klassen G und H (www.purpose-green.com).
Die EU‑Taxonomie – Leitfaden für „grüne“ Aktivitäten
Die EU‑Taxonomie‑Verordnung ist ein Klassifikationssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten. Sie definiert sechs Umweltziele: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasser, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Schutz der Biodiversität. Damit eine Aktivität als „ökologisch nachhaltig“ gilt, müssen vier Bedingungen erfüllt sein:
- Wesentliche Beitragspflicht: Die Tätigkeit muss zu mindestens einem Umweltziel einen wesentlichen Beitrag leisten, etwa durch Verringerung des CO₂‑Ausstoßes.
- Do‑No‑Significant‑Harm (DNSH): Sie darf andere Umweltziele nicht erheblich beeinträchtigen – Klimaschutz darf also nicht auf Kosten der Biodiversität gehen.
- Soziale Mindeststandards: Es müssen Menschenrechte und soziale Mindeststandards gewahrt werden.
- Technische Bewertungskriterien: Die Tätigkeit muss die in delegierten Verordnungen festgelegten technischen Kriterien erfüllen.
Diese Vorgaben gelten zunächst für große Unternehmen und Finanzmarktteilnehmer, die bereits unter die Non‑Financial Reporting Directive (NFRD) oder ab 2025 die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen. Sie müssen offenlegen, welchen Anteil ihres Umsatzes, ihrer Investitions‑ und Betriebsausgaben sie mit taxonomiekonformen Aktivitäten erwirtschaften.
Indirekt wirkt sich das aber auch auf kleinere Eigentümer aus, weil Banken und Investoren bei der Finanzierung nachhaltig agieren wollen und die eigenen Taxonomieauflagen in den Bedingungen für Endkunden weitergeben werden.
Was bedeutet die Taxonomie für Immobilieneigentümer?
Der Immobiliensektor ist einer der größten Emissionsverursacher.
Daher umfasst die Taxonomie mehrere immobilienbezogene Tätigkeiten:
- Errichtung neuer Gebäude,
- Renovierung bestehender Gebäude,
- Erwerb und Eigentum an Gebäuden, sowie
- Einzelmaßnahmen wie die Installation energieeffizienter Geräte, Ladeinfrastruktur für E‑Autos, Mess‑ und Regelungstechnik oder erneuerbare Energien.
Für Neubauten fordert die Taxonomie unter anderem, dass der Primärenergiebedarf mindestens 10 % unter dem Schwellenwert eines Niedrigstenergiegebäudes liegt, während Renovierungen den Energiebedarf um mindestens 30 % gegenüber dem Zustand vor der Renovierung senken müssen. Damit setzt die EU über die bestehenden nationalen Energieeinsparverordnungen hinaus ambitionierte Maßstäbe. Es ist anzunehmen, dass dies sich in den Förderrichtlinien niederschlagen wird.
Wichtig: Die Taxonomie ist bislang kein direktes „Verbotsgesetz“. Eigentümer sind nicht verpflichtet, ihre Gebäude taxonomiekonform zu betreiben. Allerdings beeinflusst sie Förderungen, Finanzierungskonditionen und den Zugang zu Investoren. Viele Banken vergeben günstige Kredite nur für Gebäude, die bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Wer seine Immobilie verkaufen oder beleihen möchte, wird künftig häufiger nach Nachweisen für Energieeffizienz und ESG‑Konformität gefragt.
Im Februar 2025 hat die Europäische Kommission einen sogenannten „Simplification Omnibus“ vorgestellt. Er soll die Taxonomie‑Regeln vereinfachen und insbesondere Bestandsgebäude berücksichtigen. Vorgesehen sind Erleichterungen für das DNSH‑Kriterium: Künftig könnte auch eine schrittweise CO₂‑Reduktion (z. B. Effizienzklasse D) ausreichen, um ein Gebäude als nachhaltig einzuordnen. Denkmalgeschützte oder ältere Gebäude könnten unter bestimmten Voraussetzungen Zugang zu nachhaltigen Finanzierungen erhalten, wenn energetische Sanierungen ihre CO₂‑Bilanz verbessern. Diese Vorschläge sind noch nicht verabschiedet, zeigen aber, dass die Taxonomie weiterentwickelt wird und Eigentümer mit Flexibilität rechnen können.
Handlungsempfehlungen für Eigentümer
- Energieeffizienz ermitteln: Lassen Sie den energetischen Ist‑Zustand Ihrer Immobilie professionell bewerten. Nur wer den Primärenergiebedarf kennt, kann gezielt sanieren.
- -Sanierungsplan aufstellen: Prüfen Sie, welche Maßnahmen den Energiebedarf spürbar reduzieren (z. B. Dämmung, Wärmepumpe, PV‑Anlagen). Für Neubauten gilt der 10‑%‑Unterbietungswert und für Renovierungen eine 30‑%‑Einsparung.
- Fördermittel nutzen: Programme von BAFA und KfW bieten Zuschüsse von bis zu 30 % für energieeffiziente Sanierungen. Informieren Sie sich frühzeitig; mit dem „Green Deal“ wird der Förderrahmen stetig angepasst.
- ESG‑Daten dokumentieren: Sammeln Sie Kennzahlen zu Energieverbrauch, CO₂‑Emissionen, Bau‑ und Betriebskosten. Auch wenn kleine Eigentümer derzeit keine Berichtspflichten haben, erhöhen transparente Daten den Wert und die Finanzierbarkeit der Immobilie.
- Rechtliche Entwicklungen beobachten: Neue EU‑Richtlinien wie die EPBD, die erneuerte Renewable Energy Directive (RED III) und die Energy Efficiency Directive (EED) verlangen steigende Anteile erneuerbarer Energien und strengere Effizienzstandards.
- Wir halten Sie sich über nationale Umsetzungsgesetze und Förderprogramme auf dem Laufenden.