
… so wird das nichts, liebe Politik!
Liebe Mitglieder,
was für Hoffnungen haben alle Beteiligten auf den sogenannten Wohnungsgipfel am 25. September gesetzt! Herausgekommen sind vorab in der Ampelkoalition abgesprochene Ergebnisse, die von den übrigen Teilnehmern nur noch abgenickt werden sollten. Das wäre nicht weiter schlimm, wenn die gewählten Instrumente etwas taugen würden. Doch es kamen vor allem Subventionen heraus, die ihre Ineffizienz verbindet: ein wenig Geld für den Erwerb sanierungsbedürftiger Altbauten, für die Umnutzung von Gewerbebauten und für zinsgünstige Darlehen der KfW. Der Rest sind gute Absichten. So soll den Ländern ermöglicht werden, die Grunderwerbsteuer flexibler zu gestalten, wovon jene profitieren könnten, die zum ersten Mal selbstgenutztes Eigentum erwerben. Ob davon Gebrauch gemacht wird, bleibt abzuwarten. Dass in den Großstädten und ihrem Umland endlich mehr Baugrundstücke – insbesondere für bezahlbaren Wohnraum in größerem Umfang – bereitgestellt werden sollen, ist richtig und wichtig. Aber eben auch nicht neu, und vor allem ist noch nicht gesagt, dass es dazu auch kommt, schließlich liegt die Kompetenz bei den Kommunen. Hier müssen sich vor allem die Grünen endlich kompromissfähiger zeigen, die vielerorts Neubauten blockieren.
Weitere Herausforderungen für den Wohnungsmarkt wurden vom Wohnungsgipfel gar nicht erst adressiert. Etwa die Frage, wie die Politik dafür sorgen kann, dass es kleinen, lautstarken Interessengruppen schwerer gemacht wird, Bauprojekte zu verhindern oder zumindest zu verzögern. Und was man mit Blick auf die kaum gesteuerte Migration zu tun gedenkt; der Zustrom von Hunderttausenden macht den Mangel an Wohnraum doppelt spürbar, besonders in den großen Städten.
Es ist besorgniserregend und bezeichnend zugleich, dass die Grünen aus Anlass des jüngsten Wohnungsgipfels eine „Mieterschutzoffensive“ gefordert haben, zu der unter anderem die Verschärfung der Mietpreisbremse und die Begrenzung von Indexmieten gehören sollen. Mit diesem populistischen Ansatz wird der Ansatz des Gipfels, für mehr Wohnraum zu sorgen, konterkariert. Die Investitionsbereitschaft privater Anbieter, die aufgrund niedriger Renditen und hoher Risiken ohnehin im Keller ist, wird weiter sinken.
Man denke an die Mitbürger, die in den vergangenen Jahrzehnten in Mehrfamilienhäuser investiert haben, um im Ruhestand von den Einnahmen leben zu können. Diese Eigentümer – oft Selbständige ohne Anspruch auf eine staatliche Rente – haben von den Fünfziger- bis weit in die Achtzigerjahre den deutschen Wohnungsmarkt geprägt, auch weil sie für faire Mieten und ein partnerschaftliches Verhältnis zu ihren Mietern standen. Dass der Mietmarkt in einigen Teilen des Landes aus der Balance geraten ist, liegt nicht an ihnen, sondern an jenen Bundesländern und Kommunen, die ihre Wohnungsgesellschaften an renditeorientierte Investoren verkauft haben (Hessen war da eine wohltuende Ausnahme). Nun aber sollen auch die privaten Vermieter für die Auswüchse büßen, zu denen es in Folge der falschen Privatisierungspolitik der öffentlichen Hand gekommen ist. Dabei ist es töricht, diese Klientel zu verprellen, der mehr als 70 Prozent der Mietwohnungen gehören.
Die aktuelle Krise auf dem Wohnungsmarkt ist im Übrigen keineswegs allein den gestiegenen Hypothekenzinsen zuzuschreiben. Die 3,8 bis 4 Prozent, die derzeit zu zahlen sind, nehmen sich nur im Vergleich zum zinspolitischen Paradies der vergangenen zehn Jahre hoch aus. Was erfahrene Investoren und langjährige Bestandsvermieter viel mehr umtreibt, ist der ausufernde Bürokratismus. Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung; viele Großstädte packen noch weitere Vorgaben obendrauf, etwa Milieuschutz- und Erhaltungssatzungen oder Vorgaben für Parkplätze und Fassadenbegrünung, deren Einhaltung von einer trägen Bürokratie mit Schneckentempo geprüft wird. Von den dramatisch gestiegenen Materialpreisen ganz zu schweigen. Wer soll unter diesen Umständen noch bauen? Oder auch nur im Bestand umbauen und erweitern?
Und schließlich stellt sich die Frage, warum die Politik sich nicht endlich daran macht, über Pensionsfonds in bezahlbaren Wohnraum zu investieren, wie es Norwegen schon lange tut. Und warum wird nicht ein Programm aufgelegt, das Unternehmen fördert, die Werkswohnungen für ihre Mitarbeiter errichten (wobei das Kündigungsrecht in diesen Mietverhältnissen dem Umstand angepasst werden müsste, dass die durchschnittliche Verweildauer der Arbeitnehmer in den Unternehmen gesunken ist).
Wer in nur einem Jahr ein LNG-Terminal errichten kann, der sollte doch auch bei der ebenso dringenden Frage bezahlbaren Wohnraums ein höheres Tempo vorlegen können. Doch ein solches Zeichen entschlossener Handlungsfähigkeit geht vom Wohnungsgipfel nicht aus. Es handelte sich wohl vorrangig um Wahlkampfgetöse vor den Wahlen in Hessen und Bayern. Schade.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen H. Conzelmann