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Eiserner Steg, Brücke in Frankfurt am Main

Die Stadt hemmt die private Investitionsbereitschaft

Liebe Mitglieder,

manchmal reibt man sich verwundert die Augen. Mir erging es so, als ich jüngst in der Zeitung las, dass die Stadt Frankfurt weitere 14 neue Hochhausstandorte ausweisen wird. Außerdem dürfen laut dem neuen Hochhausentwicklungsplan einige bestehende Türme erheblich aufgestockt werden.

Nun bin ich durchaus stolz darauf, dass Frankfurt als einzige deutsche Großstadt eine echte Skyline besitzt. Sie macht unsere Stadt unverwechselbar, und auch international gilt sie als Symbol für die Bedeutung des Finanzplatzes. Von dieser Strahlkraft profitieren viele, nicht nur diejenigen, die in den Türmen gutes Geld verdienen, sondern auch Ladeninhaber, Gastronomen und Dienstleister. Nicht zu vergessen die Bewohner unseres Umlands, die das großartige Kulturangebot wahrnehmen, das Frankfurt aufgrund seiner Prosperität bieten kann. Die Skyline steht auch für die Internationalität unserer Stadt, in der Menschen aus fast 200 Ländern wohnen und arbeiten – und zumeist auf ganz entspannte Art und Weise Offenheit, Vielfalt und Toleranz leben. Die unlängst getroffene Entscheidung der EU, den Sitz der AMLA, der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche, nach Frankfurt zu vergeben, ist eine schöne Bestätigung dieser anhaltend positiven Standortentwicklung.

Warum also habe ich mir die Augen gerieben? Nun, dem Weltniveau, für das die Hochhäuser stehen, wird die Kommunalpolitik auf vielen anderen Gebieten leider nicht gerecht. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Wohnungspolitik. Auf das großzügige Entgegenkommen, das die Stadt gegenüber großen Investoren und Investmentfonds zeigt, können die kleinen privaten Vermieter jedenfalls nicht hoffen. Und das, obwohl sie es sind, die dafür sorgen, dass der Wohnraum, den jene brauchen, die den Wohlstand der Stadt erwirtschaften, in allen möglichen Ausprägungen und Preisklassen zur Verfügung steht. Oder genauer: bisher in ausreichendem Maß zur Verfügung stand. Die Stadt bremst längst jede Initiative aus und hemmt dadurch die private Investitionsbereitschaft, die benötigt wird, damit das Angebot mit der Nachfragemithält. Man denke nur an den in vielen Fällen überzogenen Denkmalschutz. Und während die Stadt bei einzelnen Hochhauseigentümern von sich aus eine massive Aufstockung anregt, gelten im Wohnungsbau strikte Einschränkungen für Nachverdichtungsmaßnahmen, was Um- und Ausbauten sowie Aufstockungen insbesondere für private Eigentümer extrem aufwändig macht.

Im Sinne einer Gleichbehandlung sollte auch für den Wohnungsbau mehr Gestaltungsfreiheit gewährt werden, zumal es sich hier nur selten um Projekte handelt, die das Stadtbild so stark beeinflussen wie ein Hochhaus. Angesichts der Tatsache, dass der Baulandbeschluss, der fixe Quoten für Sozial- und geförderte Wohnungen vorschreibt, für die neuen Turm-Projekte nicht gelten soll, wäre es nur recht und billig, wenn diese investitionsfeindliche Regelung auch für alle anderen Vorhaben entfiele.

Wie herausfordernd die Lage ist, zeigt der Einbruch im Wohnungsbau. Die Zahl von Neubauprojekten ist um die Hälfte eingebrochen. Ganz zu schweigen von den vielen Vorhaben, die zwar genehmigt sind, aber nicht realisiert werden. Angesichts einer Preissteigerung am Bau von bis zu 50 Prozent müsste inzwischen doch auch in den Amtstuben erkannt werden, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Die Gesetze, Verordnungen und Satzungen, die den Wohnungsbau nachweislich behindern und heftig verteuern, müssen jedenfalls einer kritischen Revision unterzogen werden.

Es ist auch nicht hilfreich, dass Mitglieder des Magistrats die sich häufenden Hausbesetzungen (zuletzt waren die Dondorfsche Druckerei und eine Gaststätte an der Jordanstraße in Bockenheim betroffen, außerdem das Berger-Kino in Bornheim) unproblematisch finden oder diese sogar ausdrücklich loben. Das Vertrauen in die Rechtstreue der Stadt und in die Planbarkeit von Immobilienprojekten wird auf diese Weise erschüttert. Auch das kann dazu beitragen, dass die Bereitschaft zu Investitionen sinkt. Das kann niemand wollen, unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung. Alle Akteure müssen jetzt an einen Tisch, um mit Kompromissbereitschaft Lösungen für die dringenden Fragen zu finden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Jürgen Conzelmann