BGH: Nachträgliche Ermäßigung eines Mieterhöhungsverlangens durch den Vermieter
Urteil vom 06. April 2022 - AZ. VIII ZR 219/20
Die Beklagten in diesem Fall sind Mieter der Klägerin. 2018 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zustimmung zu einer Mieterhöhung um 7,97 Euro pro Quadratmeter auf. Zur Begründung führte sie den örtlichen Mietspiegel an. Dort hatte sie die vermietete Wohnung aufgrund der Größe, des Baujahres und ihrer Meinung nach werterhöhender Wohnwertmerkmale eingeordnet. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu. Die Vermieterin klagt nunmehr auf Zustimmung. Die zuvor berücksichtigten Wohnwertmerkmale ließ sie außer Acht, sodass sie nunmehr noch eine Mieterhöhung um 7,68 Euro pro Quadratmeter begehrt. In den Vorinstanzen hatte die Klägerin Erfolg.
Das Berufungsgericht ließ die Rüge der Beklagten, wonach die Klägerin das ursprüngliche Erhöhungsverlangen nicht einseitig habe ermäßigen dürfen, nicht durchschlagen. Die Vorschriften §§ 145 ff. BGB seien vorliegend nicht anzuwenden, sodass in der Ermäßigung kein neues Erhöhungsverlangen zu sehen ist. Die einseitige Ermäßigung sei daher nach herrschender Meinung in der Klage zulässig.
Der BGH folgte dieser Argumentation und lehnte die Meinung der Beklagten ab, wonach die Ermäßigung des Erhöhungsverlangens in der Klage dazu führe, dass es an einem ordnungsgemäßen Erhöhungsverlangen fehle, da der Vermieter gemäß § 145 BGB an sein vorgerichtliches Verlangen gebunden sei. Die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB gingen als spezialgesetzliche Regelungen den allgemeinen Vorschriften der §§ 145 ff. BGB vor. Die gesetzliche Gestaltung dieser Spezialregeln zeige, „dass der Gesetzgeber von einer (betragsmäßigen) Teilbarkeit des Erhöhungsverlangens des Vermieters ausgegangen ist, mit der auch Abweichungen von den allgemeinen Regelungen der §§ 145 ff. BGB einhergehen.“ So könne der Mieter beispielsweise der Mieterhöhung auch nur zum Teil zustimmen. Genauso könne das Gericht der Zustimmungsklage nur teilweise stattgeben. „Denn das Verlangen des Vermieters nach Zustimmung zu einer bestimmten Mieterhöhung enthält schon begrifflich immer auch das Verlangen nach einer betragsmäßig niedrigeren Anhebung der Miete.“ Demgegenüber steht nach Meinung des BGH spiegelbildlich das Recht des Vermieters, das Erhöhungsverlangen nachträglich zurückzunehmen oder zu ermäßigen.
Eine andere Ansicht hätte zur Folge, dass ein Vermieter, der von seinem ursprünglichen Begehren Abstand nehmen will, ein weiteres Erhöhungsverlangen in Gang setzen müsste, „ohne dass dies mit einem zusätzlichen Erkenntnisgewinn für den Mieter verbunden wäre.“ Um die daraus resultierende längere Verfahrensdauer zu verhindern, wäre der Vermieter gezwungen, das ursprüngliche Begehren gerichtlich durchzusetzen, wodurch neben höheren Kosten auch mehr Streitstoff erzeugt werden würde, ohne dass für den Mieter Vorteile entstehen würden. Hinzu kommt, dass der Mieter nach Sinn und Zweck des Erhöhungsverfahrens rasch Klarheit bekommen soll, ob das Erhöhungsverlangen nach der verweigerten Zustimmung weiterverfolgt wird. Dieser Zweck wäre nicht erfüllt, wenn der Mieter mit einem weiteren Erhöhungsverlangen rechnen müsste, wenn der Vermieter von seinem ursprünglichen Begehren abrückt.
Darüber hinaus stünden dieser Ansicht auch keine schützenswerten Interessen des Mieters entgegen, da dieser durch die betragsmäßige Ermäßigung sogar einen Vorteil erhält.
28.06.2022