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BGH: Dauerhaftes Nutzungsverbot durch Mehrheitsbeschluss ist rechtswidrig

Urteil vom 15. Oktober 2021 - Az.: V ZR 225/20

Der BGH hatte sich in diesem Fall mit der Frage auseinanderzusetzen, ob Wohnungseigentümer die Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums aus Gründen der Verkehrssicherheit durch Beschluss dauerhaft verbieten können, wenn auch das Sondereigentum aus diesem Grund nicht mehr genutzt werden kann.

Hintergrund war ein Rechtstreit unter Eigentümern eines nach WEG aufgeteilten Parkhauses in München. Drei der insgesamt elf Ebenen stehen im Teileigentum der Klägerin, die diese an ein benachbartes Hotel vermietet. Die übrigen Ebenen, im Besitz der Beklagten werden seit Jahren nicht genutzt. Nachdem das zuständige Bauordnungsamt Nachweise für die Einhaltung der brandschutztechnischen Mindestanforderungen angefordert hatte, beschlossen die Eigentümer, dass die Ebenen, die zur Einheit der Klägerin gehören nicht mehr genutzt werden dürfen. Ihr wurde gestattet, die brandschutztechnischen Mängel selbst auf eigene Kosten zu beheben. Nach Vorlage eines entsprechenden Nachweises sollte die Nutzung wieder erlaubt sein. Die Klägerin erhob hiergegen die Beschlussmängelklage, die in den ersten beiden Instanzen erfolglos blieb.

Der BGH erklärte den Beschluss dagegen für ungültig. Die Bundesrichter stellten dabei fest, dass Wohnungseigentümer grundsätzlich ein auf das gemeinschaftliche Eigentum bezogene Nutzungsverbot zum Zwecke der Gefahrenabwehr beschließen können. Sofern auch das Sondereigentum einzelner Eigentümer hierdurch beeinträchtigt wird, sind einem solchen Beschluss aber enge Grenzen gesetzt, da die Wohnungseigentümer verpflichtet seien, gravierende bauliche Mängel des Gemeinschaftseigentums zu beseitigen, die eine Nutzung des Sondereigentums beeinträchtigen. Von dieser Verpflichtung könnten sich die Eigentümer auch nicht durch den Einwand unzumutbarer Kosten oder eben durch eine Nutzungsuntersagung entziehen.

Ein dauerhaftes Nutzungsverbot könne nur dann rechtmäßig sein, wenn die Sanierungspflicht nach § 22 WEG ausgeschlossen wäre. Die Gefahrenabwehr müsste in diesem Fall durch Stilllegung des Gemeinschaftseigentums erfolgen. Allerdings stellten die Bundesrichter fest, dass § 22 WEG bei aufgrund von Überalterung bzw. mangelnder Instandhaltung sanierungsbedürftig gewordenen Gebäuden diese Vorschrift nicht einschlägig ist. Zerstört im Sinne von § 22 WEG ist das Gebäude nur dann, wenn die Nutzbarkeit durch „punktuelle Ereignisse“, beispielsweise Brand oder Explosion, wesentlich beeinträchtigt oder aufgehoben ist. Dies sei nicht der Fall, wenn eine Sanierung hohe Kosten verursachen würde. Hinzu komme, dass das Gebäude „zu mehr als der Hälfte seines Werts“ zerstört sein muss, was stets durch einen Vorher-Nachher-Vergleich bestimmt wird. Bei einem Sanierungsstau würde es bereits an einem konkreten Zeitpunkt fehlen, an dem ein solcher Vergleich vorgenommen werden könne. Hintergrund der Regelung in § 22 WEG bzw. § 22 Abs. 4 WEG-alt, seien im Jahr 1951 Verschlechterungen aufgrund von Bombenangriffen gewesen.

Einer analogen Anwendung von § 22 WEG stehe bereits eine fehlende planwidrige Regelungslücke entgegen. Der Gesetzgeber habe bei der Reform des WEG im Jahr 2020 das Problem der begrenzten Lebensdauer von Gebäuden erkannt und daher auch eine erleichterte Auflösung der Gemeinschaft bei Überalterung des Gebäudes oder Unrentabilität der Sanierung diskutiert, allerdings eine solche Regelung nicht im neuen WEG aufgenommen. Darüber hinaus sei ein Sanierungsstau schon nicht mit der Zerstörung eines Gebäudes vergleichbar.

- 22.11.2021 -