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Wirtschaft und Klimaschutz lt. Koalitionsvertrag

POSITION zu den Vorhaben laut des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP im Bereich Wirtschaft und Klimaschutz

Gebäudeenergiegesetz

Das Ziel der Bundesregierung, ab dem 1. Januar 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien zu betreiben, ist äußerst ambitioniert. Aus Sicht der privaten Immobilieneigentümer, denen über 80 Prozent aller Wohneinheiten in Deutschland gehören, müssen dazu dringend die grundlegenden Voraussetzungen erfüllt werden. Neben einem verbindlichen Versorgungsatlas und individuellen Gebäudesanierungsfahrplan für alle Gebäude, die rechtzeitig allen Immobilieneigentümern zur Verfügung stehen müssen, bedarf es vor allem neuer technischer Lösungen. Denn nicht in allen Gebäuden ist das Ziel mit den heute vorhandenen technischen Möglichkeiten auch bezahlbar zu erreichen. Die Anpassung der Standards für den Neubau und den Bestand muss sich entsprechend der künftigen KfW-Förderung an den CO2-Emissionen orientieren. Die Einführung eines Niedrigtemperatur-ready-Standards zur Schaffung einer bezahlbaren Balance zwischen Effizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien erscheint alternativlos.

Klimaschutzgesetz

Eine Neuausrichtung des Klimaschutzgesetzes ist dringend notwendig. Für jeden Wirtschaftssektor national definierte CO2-Minderungsziele einzeln erreichen zu wollen, ist illusorisch. Die Bundesregierung sollte eine Klimaschutzpolitik beschließen, die unbürokratisch, kosteneffizient und wirksam ist. Die Diskussion über das Klimaschutzsofortprogramm für den Gebäudesektor im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass nur ein europaweiter und sektorübergreifender Handel mit Emissionszertifikaten zur CO2-Neutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts führen kann. Gerade der Gebäudesektor ist wegen der hohen Investitionskosten von Effizienzmaßnahmen auf langfristige Perspektiven angewiesen. Planwirtschaftliche Jahresvorgaben haben hier nichts zu suchen. Dafür ist die Eigentümer- und Gebäudestruktur schlicht zu vielschichtig und von der vorhandenen Versorgungsinfrastruktur abhängig.

Erneuerbare Energie

Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Haus & Grund hält dies für sinnvoll, muss aber konstatieren, dass dies nicht an den Eigentümern, sondern an den Bundesgesetzen scheitert. Daher müssen dringend alle Hürden abgebaut und Wege eröffnet werden, um den in Gebäuden gewonnenen Strom auch nutzbar zu machen. Die Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten im Rahmen einer Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagesystems zu vereinfachen und zu stärken, ist dafür nicht ausreichend. Denn Mieterstrom ist bisher ein Modell, das nur von großen Wohnungsunternehmen genutzt werden kann. Für den privaten Immobilieneigentümer und damit die ganz überwiegende Mehrheit der vermieteten Gebäude gibt es bisher keine Lösung. Haus & Grund Deutschland fordert daher, dass im oder auf dem Haus erzeugter Ökostrom künftig unbürokratisch von den Mietern genutzt werden kann. Dafür müssen die regulatorischen Voraussetzungen geschaffen werden, dass Vermieter diesen Teil des Stroms über die Betriebskosten mit ihren Mietern abrechnen können. Für Haus- und Wohnungseigentümer, die keine Möglichkeit zur Mieterstromversorgung haben, soll eine auskömmliche Einspeisevergütung oder die Möglichkeit zur steuerlichen Berücksichtigung der Verluste für den nicht im Haus benötigten und ins Netz eingespeisten Solarstrom ermöglicht werden.

Kommunale Wärmeplanung | Sanierungsfahrplan | Energieausweis

Haus & Grund begrüßt, dass eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung angestrebt wird. Bis 2025 brauchen Eigentümer einen verbindlichen Versorgungsatlas ihrer Kommune. Der Versorgungsatlas muss für jedes Wohngebäude Zeitpunkt und Art der klimaneutralen Wärme- und Energieversorgung verbindlich ausweisen. Der Klimaschutz im Gebäudebestand ist das größte Investitionsvorhaben im Wohnungswesen seit dem Zweiten Weltkrieg. Hauseigentümer werden diese Last nur stemmen können, wenn sie ihre Maßnahmen am Gebäude mit der entsprechenden Wärme- und Energieversorgung der Zukunft abstimmen können. Haus & Grund Deutschland begrüßt ebenfalls, dass eine breite, systematische Nutzung von Sanierungsfahrplänen angestrebt wird. Besser wäre, allen Eigentümern bis 2025 einen kostenlosen individuellen Sanierungsfahrplan für ihr Gebäude zur Verfügung zu stellen. Nur wenn Eigentümer wissen, wann sie welche Klimaschutzmaßnahmen durchführen sollten, damit ihr Gebäude klimaneutral wird, sind Klimaschutz und bezahlbares Wohnen in Einklang zu bringen. Eine Beschränkung des kostenlosen Angebots von individuellen Sanierungsfahrplänen auf Wohnungseigentumsgemeinschaften und beim Kauf eines Gebäudes, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, greift zu kurz und ignoriert die soziale und finanzielle Leistungsfähigkeit der Eigentümer. Hier sollte das gemeinsame Ziel, ein CO2-neutraler Gebäudebestand bis 2045, Ansporn und Maßstab für eine uneingeschränkte Förderung sein. Dem Gedanken folgend, muss die Förderung von Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand bereits fördern, was an gesetzlichen Klimaschutzstandards durch das Gebäudeenergiegesetz gefordert ist. Dazu muss die Bundeshaushaltsordnung so geändert werden, dass sie eine finanzielle Förderung gesetzlich vorgeschriebener Maßnahmen nicht mehr ausschließt. Die Einführung eines verbesserten einheitlichen Gebäudeenergieausweises fordert Haus & Grund seit langem. Daher würden wir es begrüßen, wenn ein kostengünstiger und aussagekräftiger Verbrauchsausweis eingeführt wird. Mehrere Praxistests (2006 gemeinsam mit GdW und BFW, 2010 GdW und 2015 Haus & Grund) zeigten, dass die Erstellung eines Energiebedarfsausweises durch verschiedene Ersteller zu erheblichen unterschiedlichen Ergebnissen führt. Der Primärenergiebedarf ein und desselben Gebäudes wies dabei bis zu 60 bzw. 80 Prozent Unterschied auf. Ebenso stellt die Studie „Energiebedarf versus Energieverbrauch oder Theorie versus Realität“ von Prof. Dr.-Ing. Thomas Ackermann von der Fachhochschule Bielefeld 2019 immense Abweichungen zwischen den auf Verbrauchsmessungen beruhenden Energieverbrauchswerten und den berechneten Energiebedarfswerten fest. Die Bedarfswerte lagen bis zu 173 Prozent über den Verbrauchswerten. Der Mehrwert eines digitalen Gebäudeenergiekatasters ist nicht erkennbar.

Emissionshandel | EEG-Umlage

Um die CO2-Reduktionsziele für die Jahre 2030 und 2050 sicher und effizient zu erreichen, plädiert Haus & Grund Deutschland für einen sektorübergreifenden europaweiten Handel mit CO2-Emissionsrechten. Daher begrüßen wir, dass die Koalition die Schaffung eines einheitlichen EU-Emissionshandelssystems über alle Sektoren im Koalitionsvertrag anerkennt. Haus & Grund erwartet, dass die Bundesregierung dies auf EU-Ebene entsprechend und zügig verhandelt. Passend dazu sollte die vollständige Rückgabe der CO2-Staatseinnahmen an die Bürger in Form einer sozial gerechten Kopfpauschale (Klimageld) eingeführt werden. Auch die Förderung klimaschützender Maßnahmen an Gebäuden muss entsprechend umgestellt werden, so wie die Koalition dies auch bei der Förderung im Neubau durch Fokussierung auf die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro m² Wohnfläche vorhat. Dies alles macht den Verzicht auf konkurrierende und damit ineffiziente ordnungsrechtliche Vorgaben möglich. Richtig ist, die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis zum 1. Januar 2023 zu beenden.

Neubau | Baukosten

Das Ziel der Bundesregierung, ein Förderprogramm für den Wohnungsneubau einzuführen, das auf die Treibhausgas-Emissionen (THG-Emissionen) pro Quadratmeter Wohnfläche fokussiert, ist richtig. Dieser Ansatz passt zum Konzept der CO2-Bepreisung und sollte mit der Definition eines Niedrigtemperatur-ready-Standards einhergehen. Ein falsches Signal ist hingegen, schon zu Beginn dieses Jahres die Förderung nach dem KfW-Effizienzhausstandard 55 (EH 55) zu beenden. Planung, Finanzierung, Genehmigung und Bau ziehen sich in Deutschland mittlerweile über Jahre und zum Teil über Jahrzehnte hin. Planungssicherheit und Verlässlichkeit sind für den Neubau daher elementar. Die Förderung des KfW-EH 55 sollte daher für alle begonnenen Bauplanungen fortgesetzt werden und erst enden, wenn das neue Gebäudeenergiegesetz verabschiedet wird.

Teilwarmmiete

Der Umstieg auf Teilwarmmieten wäre ein Ausstieg aus einer der wesentlichen und teuer bezahlten Errungenschaften im Bereich der Energieversorgung – der verbrauchsabhängigen Abrechnung. Einfache Warmmieten-Modelle führen bedingt durch die Einflüsse von Verbrauchsverhalten, Energiepreissteigerungen und Wetterbedingungen zu objektiven und subjektiven Benachteiligungen bei Mietern und Vermietern. Komplexe Modelle mit variablen Temperaturgrenzen und Verbrauchserfassungskomponenten führen zu völlig unverhältnismäßigen Kostensteigerungen. Daher ist bis heute kein praxistaugliches Modell für eine Teilwarmmiete auf dem Markt. Das schwedische Modell ist nur deswegen erfolgreich, weil Schweden von Anfang an aus Kostengründen auf den teuren Einbau der Messtechnik in den Wohnungen und im Gebäude verzichtet hat und die Mehrzahl der vermieteten Gebäude mit Fernwärme versorgt wird. Schweden gilt als geduldete Ausnahme innerhalb der EU. Alle anderen Mitgliedsstaaten haben die europäische Energieeffizienzrichtlinie (EED) umgesetzt, nach der sich eine Energiekostenabrechnung am exakt gemessenen Verbrauch orientieren muss. Mit der jüngsten Novelle der EED müssen Zähler zukünftig sogar fernablesbar sein und den Bewohnern monatlich Abrechnungsinformationen zur Verfügung gestellt werden.

 

04.02.2022