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Berlin

Städtebauförderung

Berlin, November 2019

Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung zum Thema Städtebauförderung im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen des Deutschen Bundestags zum

  • Antrag der Abgeordneten Daniel Föst, Frank Sitta, Grigorios Aggelidis, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP „Städtebauförderung neu denken“ (BT-Drucksache 19/9930) und zum
  • Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Christian Kühn (Tübingen), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Stadtentwicklung mit nachhaltiger Städtebauförderung zukunftsfest ausrichten“ (BT-Drucksache 19/13071)

am 13. November 2019

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In Kürze

  • Stadtentwicklungspolitik und Städtebauförderung sind Daueraufgabe
  • Neuausrichtung der Städtebauförderung nicht überfrachten
  • Fördersystematik auf den Kern des Städtebaus konzentrieren
  • Verpflichtungsrahmen der Städtebauförderung verstetigen
  • Klimaschutzmaßnahmen an Gebäuden und im Städtebau zusammen denken
  • Stadtentwicklung ist Bestandsentwicklung
  • Beteiligung privater Eigentümer ist Schlüsselherausforderung der Stadtentwicklung
  • Förderbonus zur Mobilisierung von privaten Eigentümern
  • Eigentümer verpflichtend einbinden und Leistungen ihrer Zusammenschlüsse fördern

 

FDP-Fraktion: „Städtebauförderung neu denken“

Der Antrag der FDP-Fraktion mit dem Titel „Städtebauförderung neu denken“ setzt darauf, Fördersystematik rund um Städtebau und ländliche Räume zu vereinfachen. Grundlage für Förderprogramme sollen die siedlungsstrukturellen Regionstypen des Bundesamts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) werden. Bei der Neuverhandlung der Verwaltungsvereinbarung über die Städtebauförderung sollen die Förderschwerpunkte und -bedingungen neu definiert werden und Aspekte der Stabilisierung, Revitalisierung und Aufwertung sollten eine gewichtigere Rolle spielen. Zudem setzt die FDP-Fraktion in dem Antrag auf ein möglichst eigenverantwortliches Handeln der Kommunen.

Bündnis 90/Die Grünen: „Stadtentwicklung mit nachhaltiger Städtebauförderung zukunftsfest ausrichten“

Die Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen wollen die Städtebauförderung in ihrem Antrag mit dem Titel „Stadt-entwicklung mit nachhaltiger Städtebauförderung zukunftsfest ausrichten“ grundsätzlich neu ausrichten. Bemerkenswert ist Mittelansatz von 3,2 Milliarden Euro mit dem die Fraktion unter anderem mehrere Programme anstoßen will. Zu den Programmen gehören eines für „Lebendige Orte in Stadt und Land“, eines für den „Zusammenhalt in der Sozialen Stadt“, eines für die „Nachhaltige Zukunftsstadt“ und eines für ein „Gutes Klima im Quartier“. Zudem werden Anreize zur interkommunalen Zusammenarbeit genannt.

Stadtentwicklungspolitik und Städtebauförderung sind Daueraufgabe

Die Programme der Städtebauförderung und ihre Entwicklungsschritte dokumentieren den Umgang mit den jeweils aktuellen Herausforderungen der Stadtentwicklung in Deutschland. Auch heute stehen unsere Städte und Gemeinden vor enormen Herausforderungen in ihrer städtebaulichen Entwicklung. Die Handlungsfelder und die daraus resultierenden Anforderungen an den Gebäudebestand und die räumlichen und sozialen Strukturen werden immer vielfältiger, beziehungsweise sind enorm gestiegen. Wieder einmal stellen sich soziale Fragen, wie die Integration von Migranten und des demografischen Wandels oder ökologische Fragen rund um den Klimaschutz und die Energieversorgung sowie die Mobilität im Quartier. Themen wie die Digitalisierung, Gesundheit oder Ernährung werden zunehmend im Zusammenhang mit der Stadtentwicklung begriffen und bearbeitet. Solange gesellschaftlicher Wandel stattfindet, wandeln sich unsere Städte und Gemeinden. Stadtentwicklung und Städtebauförderung sind daher Daueraufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden. Städtebauförderung sollte vor diesem Hintergrund sowohl finanziell als auch strukturell verstetigt werden.

Neuausrichtung der Städtebauförderung nicht überfrachten

Haus & Grund Deutschland warnt jedoch vor dem hehren Ziel, so viele Belange wie nur möglich in den Programmen der Städtebauförderung zusammenzubringen. Jedoch – wie im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefordert – auch die „Ernährungswende“ im Rahmen der städtebaulichen Erneuerung voranzubringen, verstellt den Blick auf die wesentlichen Schwerpunkte der Städtebauförderung. Je integrierter die Konzepte der städtebaulichen Entwicklung werden, desto schwieriger wird es für die Stadtentwicklung und Städtebauförderung erfolgreich zu sein und die steigende Zahl von Zielkonflikten zu bewältigen.

Fördersystematik auf den Kern des Städtebaus konzentrieren

Haus & Grund Deutschland plädiert daher für eine Vereinfachung der Fördersystematik der Städtebauförderung, die sich zunächst auf den Kern des Städtebaus konzentriert. In einer Fördersystematik sollten drei Förderschwerpunkte der Städtebauförderung einen Korridor der Förderung definieren: der Erhalt bzw. Erneuerung (1) baulicher und baukultureller Werte, (2) städtebaulicher Funktionen und (3) sozio-ökonomischer Strukturen. Diese Förderschwerpunkte sind die programmspezifischen Themen, an denen sich eine neue Systematik der Städtebauförderung und die daraus resultierenden Maßnahmen grundsätzlich orientieren sollten. Sie bilden das verstetigende Element einer Fördersystematik. Alle anderen Themen können nur ausgewählte und zusätzliche Querschnittsthemen sein, um eine flexible und differenzierte Ausgestaltung der Programme zu ermöglichen. Die Querschnittsthemen bieten Spielraum für eine fortlaufende fachliche Weiterentwicklung, aber auch eine politische Schwerpunktsetzung in der Städtebauförderung – ohne sie zu überfrachten.

Verpflichtungsrahmen der Städtebauförderung verstetigen

Vor dem Hintergrund der stetig wachsenden Anforderungen an die Stadtentwicklung durch die Vielfalt der Handlungsfelder und Ziele sowie der Tatsache, dass Stadtentwicklung eine Daueraufgabe unserer Gesellschaft ist, ist die aktuelle Entwicklung des Verpflichtungsrahmens des Bundes zu den Finanzhilfen der Städtebauförderung konsequent und richtig – eine Verstetigung ist deshalb angezeigt. Neben der wachsenden Vielfalt der Handlungsfelder ist zu befürchten, dass durch die aktuelle Wohnungs- und Mietrechtspolitik des Bundes und einiger Länder für den Gebäudebestand investitionshemmende Signale gesetzt werden, die mittel- bis langfristig auch zu städtebaulichen Fehlentwicklungen führen. Auch vor diesem Hintergrund ist ein ausreichender Verpflichtungsrahmen sicherlich richtig. Die von der FDP-Fraktion geforderte Evaluation und Aufgabenkritik ist eine jederzeit sinnvolle Maßnahme, um im verantwortungsvollen Umgang mit den Steuergeldern der Bürger Strukturen der Städtebauförderung zu vereinfachen, Bürokratie abzubauen und Fehlallokation zu vermeiden.

Klimaschutzmaßnahmen an Gebäuden und im Städtebau zusammen denken

Um das politische Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis zum Jahr 2050 zu realisieren, ist die enorme Expansion des Verpflichtungsrahmens, wie ihn die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert, gut zu begründen. Große Potenziale zur CO2-Reduktion liegen in städtebaulichen Maßnahmen, die weit über den Kontext eines Einzelgebäudes hinausgehen. Haus & Grund Deutschland empfiehlt, die politische Steuerung der Förderung von Klimaschutzmaßnahmen im Gebäudebestand und im Städtebau aus einer Hand zu organisieren. Allerdings sollten sich Staatsausgaben in diesem Umfang konsequent an effizienter CO2-Reduktion ausrichten, um teure Fehlallokation zu vermeiden. Darüber hinaus stellt ein derartiger Mittelaufwuchs in kurzer Frist eine schwer lösbare Aufgabe beim Abrufen der Mittel für die Städte und Gemeinden dar. Die Bau- und Planungsämter in Deutschland sind ein Flaschenhals bei der Erhaltung der städtischen Infrastruktur.

Stadtentwicklung ist Bestandsentwicklung

Die Zukunft der Stadtentwicklung und ihrer Förderung liegt wieder einmal im Bestand. Den Gebäudebestand in Deutschland zu erhalten und zu modernisieren sowie an neuen gesellschaftlichen Bedürfnissen auszurichten, sollte zentrale Aufgabe der Städtebauförderung sein. Deutschland braucht eine neue Umbaukultur für seine Städte und Gemeinden.

Unsere Gesellschaft erfährt eine immer schneller steigende Vielfalt an Lebensstilen, Familienmodellen, Konsummustern und Arbeitsformen. Die klassischen Grenzen zwischen Wohnen und Arbeiten, zwischen Beruf und Freizeit, öffentlich und privat, Familien- und Freundeskreis verschwimmen immer weiter. Diese Vielfalt unserer Gesellschaft benötigt dafür eine ebenso große Vielfalt an Arbeits- und Wohnräumen. Eine Vielfalt, der nicht nur im Neubau, sondern vor allem im Bestand Rechnung getragen werden muss, um die Attraktivität und Funktionalität bestehender Stadt- und Gemeindestrukturen zu sichern. Städtebauliche Strukturen müssen künftig schneller und flexibler auf diese gesellschaftliche Vielfalt reagieren. Städtebauförderung sollte diesen Stadtumbau begleiten und ermöglichen.

Beteiligung privater Eigentümer ist Schlüsselherausforderung der Stadtentwicklung

Private Eigentümer sind dabei der Schlüssel zum Bestand: 95 Prozent der Wohngebäude in Deutschland sind im Eigentum von Privatpersonen. Die Beteiligung privater Eigentümer in der Stadtentwicklung zu stärken und eine bessere Beteiligung an der Städtebauförderung zu erreichen, ist eine Schlüsselherausforderung der Stadtentwicklungspolitik. Es gilt, sich gegenüber Immobilieneigentümern nicht länger auf bloße Ordnungs-, Lenkungs- und Gestaltungskompetenzen zurückziehen, die ohnehin oft nur bei Investitionen im Neubau greifen. Die Stadtentwicklung braucht mehr als bisher die privaten Eigentümer als Kooperationspartner.

Förderbonus zur Mobilisierung von privaten Eigentümern

Die Kommune spielt bei der Mobilisierung privater Eigentümer eine zentrale Rolle; sie ist verantwortlich für die Förderung ihrer städtebaulichen Projekte – und daher erster Ansprechpartner. Ob private Eigentümer für die Stadtentwicklung mobilisiert werden, hängt also entscheidend davon ab, wie eine Kommune sich in Fragen von Information, Beratung und Förderung privater Eigentümer sowie Kooperation mit ihnen aufstellen kann. Daher setzt sich Haus & Grund Deutschland für einen Förderbonus für unsere Städte und Gemeinden ein, wenn diese Projekte in Fördergebieten mit kleinteiliger Eigentümerstruktur durchführen. Ein Förderbonus könnte beispielsweise an die Eigentümerstruktur in einem Städtebaufördergebiet geknüpft werden, um den höheren Aufwand der Kommunen bei kleinteiligerer Kooperation und Kommunikation mit privaten Eigentümern auszugleichen. Der höhere (kommunikative, also finanzielle und personelle) Aufwand von Kommunen und Stadtentwicklern sollte über die Städtebauförderung entsprechend honoriert werden können, um private Eigentümer zu aktivieren. Diese Herausforderung, private Eigentümer zu involvieren, wird sich noch weiter verstärken. Die verfehlte Wohnungs- und Mietrechtspolitik des Bundes und einiger Länder hat das Potenzial, den ausdifferenzierten bestehenden Mietwohnungsmarkt zugunsten von mehr Wohnungseigentum zurückzudrängen und damit die Eigentümerstrukturen vielerorts nochmals vielfältiger werden zu lassen.

Eigentümer verpflichtend einbinden und Leistungen ihrer Zusammenschlüsse fördern

ExWoSt-Forschungsprojekte, wie die „Kooperation im Quartier zur Wertsicherung innerstädtischer Immobilien (KiQ)“, „Eigentümerstandortgemeinschaften im Stadtumbau“ oder das Innenentwicklungsmanagement im Projekt „Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen in wachsenden Kommunen“ machen deutlich, wie die Ansprache privater Eigentümer gelingen kann und zeichnen die Aufgaben und Arbeitsweisen einer Eigentümerberatung vor. Bei der Stadtentwicklung ist entscheidend, die betroffenen Eigentümer von Anfang an mit-zunehmen und mit ihnen auf Augenhöhe zu agieren. Gemeinsam mit den privaten Eigentümern gelingt die städtebauliche Aufwertung erkennbar reibungsloser – so funktioniert Stadtentwicklung auch mit vielen Akteuren. Haus & Grund Deutschland fordert daher, dass entlang der Eigentümerstrukturen in den Gebietskulissen der Städtebauförderung die entsprechenden Eigentümer und ihre Initiativen und Zusammenschlüsse verpflichtend in die Quartiersentwicklung einbezogen werden. Leistungen von Eigentümerverbänden als Bindeglied der Kooperation und Kommunikation zwischen der Kommune und den Eigentümern sollten förderfähig sein und Eigentümerberatung dort angesiedelt werden. Mitunter bietet die Ansiedlung bei Eigentümerverbänden den teils leider notwendigen Vertrauensvorschuss und damit Zugang zu den Eigentümern.

Entscheidend bei diesen Formen der Kooperation ist auch die Laufzeit der Projekte. Investitionen von Eigentümern hängen von unterschiedlichen Faktoren ab, angefangen vom Lebenszyklus bis hin zur Lebenssituation des Eigentümers selbst. In einem Projektgebiet mit kleinteiliger Eigentümerstruktur dauert es wesentlich länger, bis die unterschiedlichen Faktoren zur Investitionsentscheidung führen.